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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Büro
verschwindet. Swensen bleibt unentschlossen stehen, überlegt,
ob er etwas dazu sagen soll, geht dann aber zügig in sein
Büro weiter. Auf dem Schreibtisch liegt der Zettel mit der
Telefonnummer von Sebastian Lechner, den er gestern kurz vor
Feierabend dort hingelegt hat, um sich daran zu erinnern, den Sohn
von Hanna Lechner abermals anzurufen. Am Vortag war es Swensen
gelungen, Adresse und Telefonnummer von ihm in Nürnberg
ausfindig zu machen, doch, obwohl er mehrfach versucht hatte
anzurufen, hatte er niemanden erreicht.
    Der Hauptkommissar hat
schon den Hörer in der Hand, als er innehält und erneut
überlegt, welche Worte er wählen soll, um dem Sohn
möglichst einfühlsam die Nachricht vom Tod der Mutter
mitzuteilen.
    Es ist jedes Mal
wieder ein Angang, denkt er, gibt sich aber einen Ruck und will
gerade die Nummer drücken, als seine Finger mitten in der
Bewegung erstarren. Eine plötzliche Erkenntnis durchzuckt ihn.
Es ist, als würde ein heller Sonnenstrahl auf einen
verschollenen Gedanken fallen.
    Sebastian Lechner!
Sebastian! Sebastian und Seba! Seba kommt von Sebastian! Seba, das
Schaf im Wolfspelz, das auf einen Wolf im Schafspelz trifft und von
ihm gefressen wird!
    In Sekundenschnelle
läuft das Puppenspiel des Wiktor Šemik vor dem inneren
Auge des Hauptkommissars ab. Und aus heiterem Himmel sieht er sie
vor sich, die Ungereimtheit, über die er schon den ganzen
Morgen nachgegrübelt hat.
    Der Name Sebastian
wurde in dem Stück nicht ein einziges Mal genannt! Seba kommt
von Sebastian, hatte Susan Biehl damals zu ihm gesagt, da ist er
sich ganz sicher. Aber wieso hat Susan zwischen beiden Namen einen
Zusammenhang hergestellt, woher konnte sie wissen, dass Seba von
dem Namen Sebastian abgeleitet worden ist? Irgendjemand muss es ihr
erzählt haben! Das könnte Wiktor Šemik gewesen
sein. Sie hat ihn schließlich auf dem Festival
betreut.    
    Nach der ersten
Euphorie setzt bei Swensen genauso plötzlich wieder
Ernüchterung ein. Der Mordfall ist kein Puppentheater, denkt
er und holt sich selbst auf den Boden zurück.
    Wahrscheinlich ist das
Ganze nur eine fixe Idee von dir. Dein Traum und der Name Sebastian
Lechner haben nur eine spontane Assoziation ausgelöst,
für die es eine völlig banale Erklärung
gibt.
    Verwirrt legt Swensen
den Hörer auf die Station zurück und versucht, einen
roten Faden in seinen Gedanken zu finden. Er geht aufgeputscht im
Raum hin und her, tritt ans Fenster und schaut auf den sterilen
Hinterhof und über die Häuserdächer, die sich in
einiger Entfernung hinter den Garagen in den Himmel
strecken.
    Mach nicht so viel
Brimborium, denkt er entschlossen, rede einfach mit Susan Biehl,
dann hast du am schnellsten eine Antwort auf deine Frage. Aber
vorher rufe ich erst mal in Nürnberg an.
    Er nimmt den
Hörer erneut ab und tippt die Nummer von Sebastian Lechner
ein. Es klingelt dreimal, dann klickt es in der Leitung und eine
Stimme meldet sich.
    »Lechner!«
    »Kriminalpolizei
Husum, Hauptkommissar Swensen. Spreche ich mit Sebastian
Lechner?«
    »Ja, am
Apparat!«
    »Sind Sie der
Sohn von Hanna Lechner aus Pitzling?«
    »So heißt
meine Mutter, ist irgendwas passiert?«
    »Ich habe keine
guten Nachrichten für Sie, Herr Lechner. Es tut mir unendlich
leid, aber Ihre Mutter ist vor drei Tagen in Husum ermordet
worden.«
    Der Mann in der
Leitung bleibt stumm. Swensen wartet bestimmt eine halbe Minute,
bevor er das Schweigen bricht.
    »Herr Lechner,
haben Sie mich verstanden? Ihre Mutter ist tot!«
    »Meine Mutter
lebte in Husum?«, fragt die erstaunte Stimme in der
Leitung.
    »Ihre Mutter ist
1987 nach Husum gezogen. Das ist nun schon 15 Jahre
her.«
    »Ich bin mit 16
weg von zu Hause, hatte nur Zoff mit ihr. Danach hab ich meine
Mutter nicht mehr gesehen. Für mich war sie damals schon
gestorben.«
    *
    »Mach bloß
einen großen Bogen um den Marktplatz, da oben stehen schon
wieder diese Fernsehfritzen von RTL und wollen Leute
interviewen«, hört Swensen einen grauhaarigen Mann
sagen, als er mit großen Schritten am Café Tine
vorbeikommt und in die Krämerstraße biegen
will.
    »Die Stadt ist
zum Tollhaus geworden. An jeder Ecke wimmelt es von diesen
durchgedrehten Reportern!«, schimpft der Angesprochene mit
verächtlichem Gesichtausdruck. »Mich haben die schon
dreimal angesprochen.«
    Der Hauptkommissar
kann noch hören, wie sich die beiden Männer immer
heftiger in ihr Thema hineinsteigern, ist aber bereits zu weit
entfernt, um noch viel vom Inhalt

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