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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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sollte. Er folgte mir. Wir gingen bis zu dem gelben Pfarrhaus. Auf der Straße davor stand ein Bus, der gehörte sicher irgendwelchen Touristen, die die Laestadiusrauchstube besuchten. Die Bustür stand offen wegen der Hitze, ein Fahrer war nirgends zu sehen. Ich zog den Jungen mit mir zur Einstiegstreppe, wir kletterten hinein. Auf den Sitzen, die etwas feucht rochen, lagen Taschen und Jacken. Wir setzten uns ganz nach hinten und krochen hinter die Rückenlehne. Bald stiegen einige ältere Damen ein, setzten sich auf ihre Plätze, keuchend und verschwitzt. Sie redeten in einer Sprache mit vielen Brauselauten und tranken in langen Zügen aus Flaschen mit Erfrischungsgetränken. Weitere Rentner trafen ein, und schließlich tauchte auch der Fahrer auf, schob sich Kautabak unter die Lippe, und dann ging es los.
    Schweigend und mit großen Augen betrachteten wir die Landschaft, die vorbeisauste. Wir verließen Pajala, schnell verschwand dessen letztes Haus, und brummten hinaus in die Wildnis. So viel Wald, das schien nirgends ein Ende zu nehmen. Alte Telefonmasten mit Porzellanknöpfen, an denen die Kabel in schweren Bögen in der Hitze hingen.
    Es dauerte mehrere Kilometer, bis uns jemand bemerkte. Ich stieß aus Versehen gegen den Vordersitz, und eine Dame mit grobporigen Wangen drehte sich um. Ich lächelte sie abwartend an. Sie erwiderte mein Lächeln, wühlte eine Weile in ihrer Handtasche und bot uns dann etwas aus einer ungewöhnlichen, stoffartigen Bonbontüte an. Sie sagte etwas, das ich nicht verstand. Dann deutete sie auf den Fahrer und fragte:
    »Papa?«
    Ich nickte mit einem steifen Lächeln.
    »Habt ihr Hunger?«, fuhr sie in ihrer merkwürdigen Sprache fort.
    Und ehe wir uns versahen, hatte sie jedem von uns ein Schwarzbrot mit Käse in die Hand geschoben.
    Nach einer langen, holprigen Busreise hielten wir auf einem großen Parkplatz an. Alle strömten hinaus, auch ich und mein Kumpel. Vor uns lag ein breites Betongebäude mit flachem Dach und hohen, gespreizten Metallantennen. Weiter entfernt, hinter einem Maschendrahtzaun, standen ein paar Propellerflugzeuge. Der Fahrer öffnete eine Luke und holte die Reisetaschen heraus. Die nette Dame hatte viel zu viel Gepäck und kam vollkommen in Hektik. Der Schweiß lief ihr unter dem Hutrand heraus, und sie lutschte mit einem hässlichen Schmatzen an ihren Zähnen. Ich und mein Kumpel halfen ihr als Dank für die
    Butterbrote und schnappten uns eine schwere Tasche. Wir trugen sie in das Gebäude, wo die Rentnergruppe sich in einem laut schwatzenden Haufen vor einem Tresen sammelte und alle möglichen Papiere heraussuchte. Eine uniformierte Frau versuchte geduldig für Ordnung zu sorgen. Dann konnten wir in geordnetem Trupp durch die Sperre zum Flugzeug gehen.
    Es war das erste Mal, dass ich fliegen sollte. Wir fühlten uns ein wenig verloren, aber eine liebe braunäugige Frau mit goldenen Herzen in den Ohren half uns, die Sicherheitsgurte anzuschnallen. Mein Kumpel landete auf dem Fensterplatz, und mit wachsender Spannung konnten wir sehen, wie die glänzenden Propeller anfingen, sich zu drehen, immer schneller und schneller, bis sie ganz und gar in einem runden, unsichtbaren Wirbel verschwanden.
    Dann begannen wir uns zu bewegen. Ich wurde in den Sitz gedrückt, spürte, wie die Räder holperten und dann den leichten Ruck, als wir den Boden verließen. Mein Kumpel zeigte hingerissen aus dem Fenster. Wir flogen! Dort unten lag die Welt. Menschen, Häuser und Autos schrumpften zu Spielsachen, so klein, dass sie in den Taschen Platz gefunden hätten. Und dann kamen von allen Seiten Wolken, weiß von außen, aber innen grau wie Haferschleim. Wir wurden durch die Wolken hinaufgehoben und stiegen immer weiter, bis das Flugzeug das höchste Himmelsdach erreichte und dann so langsam vorwärts schwebte, dass es kaum zu spüren war.
    Die nette Stewardess gab uns Saft, was ein Glück war, da wir ziemlich durstig waren. Und als wir pinkeln mussten, zeigte sie uns einen winzig kleinen Raum, in dem wir einer nach dem anderen unseren Pimmel herausholten. Ich pinkelte in ein Loch und stellte mir vor, wie die Pisse als dünner gelber Regen zur Erde fiel.
    Dann bekamen wir beide einen Block und Stifte. Ich malte zwei Flugzeuge, die zusammenstießen. Mein Kumpel legte seinen kurzgeschorenen Kopf immer weiter nach hinten, und bald schlief er mit offenem Mund. Wenn er ausatmete, beschlug die Flugzeugscheibe.
    Nach einer ganzen Weile landeten wir. Alle Passagiere versuchten als Erste

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