Populaermusik Aus Vittula
entspannt.
Sie sind schon eingeschlafen.
EPILOG
Manchmal, wenn meine Sehnsucht zu groß wird, fahre ich hinauf nach Pajala. Ich komme dann immer abends an und wandere über die neue, zirkusartige Brücke mit ihren hohen Brückenpfeilern, die sich über den Torneälven erstreckt. Mitten über dem Wasser bleibe ich stehen und schaue über die Stadt hinweg mit dem spitzen Turm der Holzkirche. Wenn ich mich drehe, sehe ich die Umrisse des Waldes und den Jupukkaberg mit der blinkenden Nähnadel des Fernsehmastes. Unter mir fließt der Fluss in seiner ständigen, breiten Bewegung zum Meer hin. Das leise Brausen spült den Lärm der Stadt aus den Ohren. Meine Rastlosigkeit rinnt in der zunehmenden Dämmerung aus mir heraus.
Ich lasse die Augen über den Ort wandern. Die Erinnerungen kommen zurück, an Menschen, die wie ich weggezogen sind, Namen, die aufblitzen. Paskajänkkä mit seinen Kangas, Karvo-nen, Zeidlitz, Samuelsson. Texas mit allen Wahlbergs, Groth, Moona und Lehto. Strandvägens Wilhelmssons und Marttikala, Äijä und Tornberg. Vittulajänkkä mit seinen Ydfjärds, Kreku, Palovaara, Muotka, Pekkari, Perttu und vielen, vielen mehr.
Ich umfasse das kalte Brückengeländer mit den Händen und überlege, wo sie alle geblieben sind. Menschen, die ich einmal kannte, Menschen, die meine Welt mit mir geteilt haben. Die Gedanken bleiben eine Weile bei meinen Spielkameraden hängen. Holgeri, der Diplomingenieur geworden ist und jetzt beim Mobilfunknetz in Lulea arbeitet. Erkki, der Vorarbeiter im Eisenerzunternehmen LKAB in Svappavaara geworden ist. Und ich selbst, der ich Schwedischlehrer in Sundbyberg wurde, mit einer Sehnsucht, einer Wehmut, die zu meistern mir nie ganz glückt.
Auf dem Heimweg gehe ich über den Friedhof. Ich habe keine Blumen dabei, bleibe aber eine Weile an Niilas Grab stehen. Der Einzige von uns, der bei der Musik blieb. Der wirklich darauf setzte.
Das letzte Mal, dass wir uns trafen, war beim Markt von Pajala, er war aus London angeflogen gekommen und kratzte gedankenverloren an kleinen Wunden an seinem Handgelenk. In der nächsten Nacht fuhren wir zum Angeln nach Lappeakoski. Seine Pupillen waren klein wie Stecknadelköpfe, und er brummte manisch:
»Das Eisbrechen, Matti, als wir da auf der Brücke standen und sahen, wie das Eis brach, o verdammt, das war vielleicht ein Eisbrechen ...«
O ja, Niila, ich erinnere mich dran, wie das Eis brach. Zwei Kaulquappen und eine selbstgezimmerte Gitarre.
Rock ’n’ roll music.
Der Geschmack eines Jungenkusses.
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