Porträt eines Süchtigen als junger Mann
und ruhig wie möglich die Stufen hinaufsteige, denke ich an das saubere Bettzeug, die sprudelnde Dusche, den Zimmerservice, die spiegelblanken Möbel, die Sicherheit. In der Halle wimmelt es von Typen, die nach Produktionsassistenten vom Film aussehen – Mützen, Jeans und Schmuddel. Gott sei Dank. Gott sei Dank falle ich nicht auf. Sofort stelle ich mir vor, dass ich aus LA gekommen bin, um hier zu drehen, und dass jeder meine Hungergestalt, die Ringe unter den roten Augen und die fettigen Haare, die unter der Mütze hervorschauen, auf knappe Produktionstermine und lange Abende im Schneideraum beim Sichten der Dailies zurückführen wird. Mit diesem Wunschgeflimmer im Kopf gehe ich zum Empfang und frage nach einem Zimmer.
Wie lange?
, fragt die Frau, und ich rechne kurz die 500 Dollar pro Nacht und das Crack durch, das ich bei Happy bestellen will. Für vier Tage, sage ich ihr, und ich müsse mich unter einem Decknamen anmelden und bräuchte ein Raucherzimmer. Sie zuckt mit keiner Wimper. Gern, sagt sie, zieht meine Kreditkarte durch, wirft einen Blick in meinen Pass, gibt mir eine Schlüsselkarte, und weg bin ich. Im Aufzug unterwegs zum drittobersten Stock kichere ich förmlich vor Aufregung und Erleichterung. Da oben dürfte es hoch genug sein, um zu springen. Wenn alle Stricke reißen, bleibt das noch.
Das Zimmer ist klein, schwach beleuchtet und geht nach Südwesten. Die Lichter von SoHo, Tribeca und Wall Street tanzen und blinken gegenüber den großen Fenstern, und als ich den Raum betrete, komme ich mir vor wie im Innern einer hoch über der Stadt schwebenden Schneekugel. Ich stelle mich ans Fenster und rufe zum letzten Mal Happy an.
Er kommt gegen eins. Vor einer Stunde habe ich aufgeraucht, was noch von der Tüte bei Rosie übrig war, und meine Pfeife ist jetzt noch ganze fünf Zentimeter lang, verkrustet mit unrauchbar verbrannten Resten. Bei meinem Anruf Stunden zuvor habe ich Crack für zweitausend Dollar bestellt. So viel wie noch nie. Ich kann ihm nur 1500 in bar geben – das, was ich vor Mitternacht noch aus dem Automaten ziehen konnte, und tausend danach. Ich bitte ihn, mir den Rest ausnahmsweise zu erlassen. Nach einem kurzen Zögern legt er mir die Tüten und die neuen Pfeifen hin.
Nettes Hotel
, meint er, seine erste Bemerkung überhaupt zu meinen Aufenthaltsorten,
nettes Zimmer
. Und damit geht er. Beim Anblick der vierzig Tüten Crack auf meiner Bettdecke, mehr als ich je auf einem Haufen gesehen habe, fühle ich mich so sicher wie den ganzen Tag noch nicht. Die Tüten sehen voller, vollgepackter aus als sonst, und die Fülle, das tanzende Licht vor dem Fenster und das Bewusstsein, dass ich diesen Raum nicht mehr verlassen werde, versetzen mich schon vor dem ersten Zug in Hochstimmung. Ich lege mich aufs Bett und lasse mir die Tüten aufs Gesicht und auf die Brust fallen, erst einzeln, dann alle auf einmal. Es ist ein Gefühl des Angekommenseins. Das Ende einer Reise. Nicht nur der kopflosen Tage und Nächte und Wochen seit dem Rückfall, sondern der ganzen langen Reise, des ganzen unnützen Kampfs. Der Satz aus jenem Buch stellt sich wieder ein, bekommt jetzt aber einen neuen Sinn.
Es war soweit
.
Ich ziehe die Vorhänge zu, stopfe mir eine der neuen Pfeifen und lasse die Krümel fliegen wie noch nie. Es spielt keine Rolle. Diesen Berg bekomme ich nicht weg. Das kann ich unmöglich lebend überstehen. Ich mache mir die nächste Pfeife. Und noch eine. Und noch eine. Happy hat mir acht Pfeifen gegeben, und ich lade noch zwei, damit ich nicht erst eine abkühlen lassen muss, bevor ich die nächste rauche. Fast eine Stunde lang inhaliere ich ununterbrochen, nackt, und atme dabei mehr Rauch als Luft ein. Rauch erfüllt mich – warm, knisternd, groß. Ich fühle mich schwerelos in dem schummrigen Raum. Ich bin beinah nichts. Bald werde ich endgültig nichts sein.
Ich lasse mir vom Zimmerservice flaschenweise Wodka bringen, aber nichts zu essen. Ich rauche und trinke die ganze Nacht, und bis zum Morgen habe ich ein Drittel von Happys Tüten geraucht und befürchte, dass der Vorrat nicht reicht. Nach Mitternacht hole ich mir tausend aus dem Automaten, rufe Rico an und bitte ihn, mir für zweitausend zu liefern, die zweiten Tausend bekäme er am nächsten Tag. Ich habe Rico noch nie um einen Vorschuss gebeten, doch er zögert nicht. Als er gegen zwei Uhr früh erscheint, bullig, schräg, in einem weiten roten T-Shirt – gibt er mir die Hälfte auf Pump und legt sogar noch
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