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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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von Rechlin erlebt hatte, heute, aber auch vor einer Woche, als sie bewusstlos auf ihrem Behandlungsstuhl gelegen hatte. Die Frau ihm gegenüber war nicht verwundert. Sie seufzte und schob schließlich ihr Essen zu Seite, als sei ihr angesichts Annette von Rechlins Schicksals der Appetit vergangen.
    »Die Annette ist ein total lieber Mensch«, konstatierte Vroni, »aber eine arme Sau.« Und dann erzählte sie Stifter vom Leben der ehemaligen Schulkameradin. Wie diese als einziges Kind vom Vater verhätschelt und von der Mutter drangsaliert wurde. Wie sie von den Aktivitäten anderer Kinder ausgeschlossen wurde, weil sie als Adlige sich nicht mitdem »Pöbel« abgeben sollte. Wie die Mutter Annette schließlich mit einem Schönheitschirurgen verheiratete, der scharf auf den Adelstitel, nicht aber auf die Frau war. Er betrog Annette fortwährend, bis sie sich nach fünfzehn Jahren Ehe kinderlos von ihm trennte und wieder bei ihren Eltern einzog. Wohl aus inniger Verbundenheit mit dem Vater und auch deshalb, weil ihre Alkoholprobleme bereits damals, Ende der neunziger Jahre, begonnen hatten. Sie fand keinen Anschluss mehr, hatte keinen Freundeskreis, keinen Mann und zog sich immer mehr zurück. Als der Vater schließlich starb, war sie der Schikane ihrer Mutter ganz ausgesetzt.
    »Damals habe ich sie eingeladen, zu unserem Literaturzirkel zu kommen«, beendete Vroni ihre Erzählung, »und das tut sie auch, regelmäßig. Sie lässt kein Treffen aus. Sie ist immer reizend und liebenswürdig. Aber jedes Mal, wenn sie kommt, hat sie schon eine Fahne. Und im Lauf des Abends säuft sie so, dass sie nicht mehr alleine nach Hause fahren kann.«
    Stifter schwieg einen Moment betroffen. Es war das, was er erwartet hatte, und doch berührte es ihn tief. Dass da niemand war, der half. Dass eine erwachsene Frau vor den Augen aller einfach so zugrunde gehen konnte.
    »Sie hat mir heute erzählt, dass ihre Mutter einen Mann im Keller gefangen hält.«
    Vroni sah ihn erstaunt an, schüttelte dann aber den Kopf. »Wohl kaum. Wahrscheinlich fängt das jetzt mit den Wahnvorstellungen an.«
    Stifter knibbelte am Etikett seines Bieres herum. Der Appetit war ihm gerade vergangen und Vroni offenbar auch. Sie schwiegen und hingen beide ihren Gedanken nach.
    *
    Mit zittrigen Fingern wählte Gudrun von Rechlin die Frankfurter Nummer. Sie hatte sofort gewusst, wer sie bei der Polizei verpfiffen hatte, und ihre unbändige Wut auf Beate Klinger war alles andere als verraucht. Dieses Flittchen, dachte Gudrun, die will den ganzen Kuchen haben, aber da hat sie sich geschnitten, sie wird gar nichts abbekommen, kein Geld wird sie sehen, niemals. Sie hatte sich, nachdem die Polizisten da gewesen waren, nicht mehr getraut, die Garage zu betreten, stattdessen hatte sie im Garten gearbeitet und versucht, ihre Wut loszuwerden. Das war ihr nicht gelungen, und Annette hatte es mit voller Wucht abbekommen. Als sie wieder aus dem Keller gekommen war, mit diesem kindlich doofen Ausdruck in ihrem geröteten Gesicht und nach Alkohol stinkend, hatte Gudrun bereits auf sie gewartet. Mit Volkmars Gürtel war sie auf sie losgegangen, wie früher, das Ende mit der Schnalle zu einem festen Knoten gebunden. Annette hatte geschrien wie am Spieß und sich nach Kräften gewehrt. Sie war stärker als ihre Mutter, aber Gudrun war nüchtern gewesen und Annette nicht. Sie hatte wie von Sinnen auf ihre Tochter eingeprügelt, ihre ganze Wut auf den fehlgeleiteten Plan und ihre daraus resultierenden Schwierigkeiten hatte sie an ihr ausgelassen. Wäre Harald nicht von oben gekommen und hätte eingegriffen, hätte sonst was passieren können. Annette war starr vor Angst gewesen, als sie Harald gesehen hatte, es war die erste Begegnung der beiden. Aber Harald hatte Gudrun nach oben geschickt und sanft auf Annette eingeredet. Sie, Gudrun, hatte sich gefügt. Es war ihr gleich gewesen, wie Harald mit Annette klarkam. Das alles würde ohnehin bald ein Ende haben.
    »Klaus Klinger«, meldete sich der Sohn von Julius und Beate mit dieser schleppenden Behindertenstimme.
    »Gudrun von Rechlin. Ich will deine Mutter sprechen«, herrschte Gudrun ihn an.
    »Mama ist nicht da«, antwortete der Junge. Fast klang es weinerlich.
    »Wo ist deine Mutter? Ich muss sie sprechen.« Gudrun wurde noch verärgerter. Laut Julius war Beate immer zu Hause, rund um die Uhr, warum ließ sie an einem Samstagabend ihren debilen Sohn alleine?
    »Weiß nicht«, nölte dieser in den Hörer.
    Gudrun legte

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