Postkarten
abzunehmen. Sie drehten und wanden sich wie angeschossene Katzen. Ein harter Tropfen traf Loyal, dann noch einer. Der Transporter war halbwegs bei den Männern. Sie zögerten; ein paar blieben stehen.
Sie glauben, er will sie im Wagen mitnehmen, dachte Loyal. Kortneggers Stimme verfluchte und schmähte sie. Durch den strömenden Regen sah er die meisten alten Männer wieder aufs Feld zurückkehren. Drei oder vier hörten nicht auf ihn, stemmten sich gegen den Regen und verließen das Feld. Er erkannte das durchweichte Hemd des aufgeweckten Mexikaners. Wo er war, war auch der andere. Die beiden besten Arbeiter.
Kortneggers Transporter fuhr einen schlammspritzenden Bogen. Er hielt vor den Männern an, Kortnegger sagte etwas, und dann stiegen ein paar von ihnen hinten auf, kauerten sich gegen den Regenguß zusammen. Blitze bohrten sich in die nassen Felder. Kortnegger hielt nicht bei den Gebäuden an, sondern fuhr weiter, auf die befestigte Straße, wo er nach links, Richtung Stadt, abbog. Er wird sie auf der Fernstraße rausschmeißen, dachte Loyal. Gute Art, die Kartoffeln umsonst einzubringen. Ohne Lohn gefeuert. Bei wem hätten sie sich beschweren sollen?
Eine Woche, zehn Tage später war eine neue Arbeitsmannschaft da, seine Rippe wurde schlimmer, im Wäldchen saßen wieder die Krähen, ein gellender Krächzer nach dem anderen wie sich überlagernde Schichten greller Farbe. Sie weckten ihn beim ersten Tageslicht. Er mußte hier weg, egal wie pleite er war. Das war schlechte Medizin. Er wälzte sich zwischen den Decken und versuchte das Krächzen und Kreischen zu verdrängen, wunderte sich aber über die Beharrlichkeit der Krähen. Während der letzten Wochen hatten sie in dem Wäldchen unablässig gelärmt. Er hatte solche Hartnäckigkeit bei Krähen noch nie erlebt, es sei denn, sie kämpften um ein totes Vieh, dann stritten sie, bis es vertilgt war.
Im Halbschlaf zog er sich an, seine Bewegungen wurden schneller, bis er, als er sich bückte, um die Schuhe zuzubinden, bereit war, ein, zwei Krähen umzubringen. Die Dielen des Verandabodens waren naß. In der Ferne heulte leidenschaftlich ein Fuchs. Ein schimmerndes Licht überzog alles wie mit durchscheinendem Wachs. Er ging zu Kortneggers Transporter, um die Flinte aus der Fensterablage zu holen, war jedoch nicht überrascht, als er die Türen des Wagens verschlossen fand. Der saure Vogel war genauso mißtrauisch, wie sie zu ihm kamen. Hatte Angst, daß einer der Penner sich davonmachen und seinen Wagen mitnehmen würde. Er klaubte ein halbes Dutzend Steine von der Einfahrt auf.
Als er sich dem Wäldchen näherte, lugte der perlgraue Himmel durch die Lücken zwischen den Ästen, phosphoreszierende Formen, die auseinander- und zusammentrieben, während die Vögel auf ihnen herumsprangen. Die aufgehende Venus wippte im Laub. Die Wächterkrähe schlug Alarm, und der Schwarm stob in einer kreischenden Wolke davon. Es mußten sechzig bis siebzig sein, dachte er. Der Fuchs schwieg. Er ging durch die kühlen Bäume. Hunderte von Zweigen und kleinen Ästen lagen auf dem Boden verstreut, knackten unter seinen Schritten. Ein Baum, eine große Pappel, war umgefallen. Der Stamm war gesplittert, aber nicht abgebrochen; der Wipfel ruhte hoch oben in zwei, drei angeschlagenen Jungbäumen. Witwenmacher. Das Gewicht würde die Jungbäume beugen und niederdrücken, bis ihre Äste nachgaben und die Pappel die restlichen sieben Meter fallen würde. Ein vom Stamm abgebrochener Ast war derart auf seinen Zweigen gelandet, daß er einem alptraumhaften Tier auf dünnen, huschenden Beinen glich. Das aufgerissene Holz war so weiß wie ein bleiches Gesicht.
Der Boden war aufgewühlt, eine Erdnarbe schlängelte sich wie eine krumme Furche durch die Baumwurzeln. Es blitzte. Er trat gegen die versehrte Erde. Aus der Furche ragte ein schwerer weißer Knochen hervor. Ein Dinosaurierknochen. Der größte, den er jemals gesehen hatte. Sonderbar geformt. Nach so langer Zeit hatte er wieder einen gefunden.
Er zog daran, und der Knochen bewegte sich in der Erde. Mit einem Stock legte er ihn frei. In seinem Hinterkopf rumorte eine schlimme Erinnerung an einen Stock im modernden Laub, den Geruch faulender Blätter. Die Form des Knochens war abgeflacht, wurde immer dünner wie ein Schulterblatt, aber anders. Er betrachtete den großen Knochen, der auf dem Boden grünlich-weiß schimmerte. Er konnte ihn kaum hochheben, das alte Ding. Wie zum Teufel hatte der Kerl noch mal geheißen, mit dem er
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