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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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herum. Ich habe mein eigenes Hobby. Das Reisegeschäft macht mir Spaß.«
    Sie gingen in dem Monat fort, in dem Christo anfing, die Inseln der Bucht in rosafarbenes Plastik zu verpacken. Pala hatte einen Bademantel im gleichen Rosaton, dachte Dub. Flamingorosa. Dergleichen würde es in Houston nicht geben.

53
    Der Fulguritknochen

    Sie hätten anrufen sollen, sagte die Sekretärin. Glattes indianisches Gesicht, blaugetönte Linsen, Dauerwelle und Strähnen. Dr. Garch führt sein Terminbuch selber. Wer weiß, ob er überhaupt kommt? Er ist zwar nicht auf der Abwesenheitsliste, aber wer weiß? Sie sagte ihm, er könne im Flur vor Garchs Büro warten. Wenn er wolle.
    Loyal saß den ganzen Morgen da, der mit Zeitungspapier und Zwirn eingewickelte Dinosaurierknochen lehnte hinter dem Holzstuhl an der Wand. Es war mühsam gewesen, hierherzukommen. Er war wieder eine Woche lang mit der verdammten Bronchitis im Wagen gelegen. Seine Lungen waren löchrig. Er hatte auf dem Vordersitz geschlafen. War immer noch krank, brachte die Jahreszeiten durcheinander. Der Wagen war auch in keiner guten Verfassung. Lief nicht mehr im
    Takt, der Motor fast kaputt, der Auspuff am Ende. Hörte sich an, als würde ein Bomber durch die Stadt düsen.
    Am Mittag ging die Sekretärin zum Essen, ihre chinesischen Stoffschuhe klafften bei jedem Schritt auf.
    Als Garch kam, die klimpernden Schlüssel in der Hand, schlief Loyal mit offenem Mund, den Kopf an die Wand gelehnt. Er wachte auf und erblickte einen kleinen Mann in einem Anzug von der Stange, das braune Haar oben gewellt und an den Seiten kurz geschnitten, bleistiftgerader Schnurrbart wie bei einem mexikanischen Radiosprecher, weiches Kinn. Die Augen glänzten, als er Loyal an dem Knochen zerren sah.
    »Sie haben was?« Er winkte ihn zu dem grünen Resopaltisch in seinem Büro. Darunter standen Kisten voll von Knochen, staubigen Konkretionen, ockerfarbenen Sandsteinblökken, roten Klumpen. Loyal hustete, beim Aufwachen raubte ihm der Husten jedesmal den Atem.
    »Hab’ früher nach Dinosaurierknochen gegraben, hab’ nach Spuren gesucht, in South und North Dakota, Colorado, Wyoming, Utah. Ist etwa zwanzig Jahre her. War überall. Aber so einen hab’ ich noch nie gesehen.« Er hievte das Ding auf den Tisch, trat zurück, um es Garch auswickeln zu lassen. Verdammt, er spürte, wie er zitterte und wie kaputt er war. Garch hatte eine sichere Hand, ein fitter und gesunder Mann. Der Knochen lag da, glänzte wie ein polierter Stein. Garch beugte sich darüber, fuhr ihn mit dem Finger ab.
    »Ich bin aus zwei Gründen hier«, sagte Loyal. »Ich möchte wissen, von wem zum Teufel das Ding stammt, aber mir geht’s auch um den Wert davon. Ich meine ja nur.«
    Garch richtete sich auf. Blickten die hellen Augen ein wenig mißtrauisch? »Ja. Sie wollen es verkaufen.«
    »Na ja.«
    »Es ist kein Knochen -«
    »Ach nein, gar nicht. Es kann nichts anderes sein. Es ist ein sonderbarer Knochen, hat’ne sonderbare Anatomie, aber es kann nichts anderes sein. Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß das ein Stein ist. Es ist kein Stein.«
    »Nein. Da gebe ich Ihnen recht. Es ist kein Stein. Es ist, glaube ich, ein Fulgurit. Ich bin mir ziemlich sicher.« Er grinste.
    »Was zum Teufel ist ein Fulgurit?« Er mochte Garch nicht. Der Schlaumeier sah nicht so aus, als wäre er je draußen gewesen, als hätte er jemals geschwitzt und zerbrechliche Fossilien aus bröckelnder Erde gelöst.
    »Das stammt von einem Blitz. Ein Blitzschlag kann einen Stein, Sand oder Erde treffen und sie verdampfen. Zehntausend Grad Kelvin, wissen Sie, das ist fast die Temperatur der Sonnenoberfläche. Das hier ist wie ein Brocken geschmolzenes Glas. Es könnten seltene Metalle darin stecken. Es ist ein großes Trumm, ein sehr großes. Ich würde es mir gern ein paar Tage lang ansehen. Es kaufen? Ich glaube, das Institut oder das Museum für Geologie sind bestimmt daran interessiert. Ich weiß nicht, was sie bieten würden, aber wenn Sie wollen, rede ich mit ihnen. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer. Ich rufe Sie in ein paar Wochen an.«
    »Ich will es eigentlich heute verkaufen. Sehen Sie, ich bin unterwegs und will weiter. Ich will los, sobald ich kann. Ich war krank, und ich will wieder zurück.« Es gab keinen Ort, wohin er hätte zurückgehen können.
    »Sie werden ein paar Tage warten müssen. Ich muß mit ein paar Leuten reden, die werden ein paar Untersuchungen machen wollen. Et cetera. Und Geld für Neuerwerbungen trage ich nicht

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