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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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wären sie ausgegraben worden.«
    »Es gab wohl keine große Auswahl. Ihr Zusammentreiber hat gesagt, daß weniger über die Grenze kommen. Und es gibt nicht viele Mexikaner ohne familiäre Bindungen. Viele Farmer kriegen außerdem jedes Jahr die gleichen Typen. Ihr Mann hat gesagt, das ist alles, was er für Sie kriegen kann. Ihre Farm liegt ab von der Route. Ich weiß nicht, woran’s liegt, aber das hier sind Ihre Leute.«
    Eigentlich hatte der Mann gesagt, daß er niemanden anheuern könne, der schon einmal von Kortnegger gehört habe. Sagte, er wolle selbst aussteigen. Riet Loyal, sich vorzusehen.
    »Eine Bande Nichtsnutze und Schwachköpfe. Ich kann sie von hier aus riechen. Sollte mich überraschen, wenn die Hälfte von ihnen bis Sonnenuntergang durchhält.«
    Die beiden Mexikaner arbeiteten schwer und stetig. Die alten Fuselbrüder stolperten die Reihen entlang, übersahen die Hälfte der Kartoffeln. Kortnegger stand eine halbe Stunde da und beobachtete ein unaufmerksames Paar. Als es am Ende der Reihe ankam, machte er den Mund auf und schloß ihn wieder, ohne etwas zu sagen. Er ging ins Haus zurück und rief Loyal zu: »Sie müssen sie auf Trab bringen. Wissen Sie, was ich meine? Sie müssen sie auf Trab bringen.«
    Loyal griff den ganzen Nachmittag hart durch, ging auf und ab. »Na los, na los, auflesen, auflesen«, schlug sich dabei mit einer Holzlatte seitlich auf den Schuh. In der Nacht haute einer der alten Männer ab. In der folgenden Nacht schloß Kortnegger sie in die Baracke ein und sagte, keiner würde seinen Lohn auch nur riechen, ehe nicht alle Kartoffeln geerntet wären.
    Das trockene und heiße Wetter backte die Reihen. Die Männer schufteten weiter, Kartoffelgabeln hoben und senkten sich, Hände schaufelten Kartoffeln in die Säcke. Die Erde riß die Haut der Männer auf, die keine Handschuhe hatten. Baumwollhandschuhe - »frankokanadische Rennfahrerhandschuhe« nannte sie einer der alten Erntearbeiter verächtlich - nutzten sich in wenigen Tagen ab. Die Hitze nahm zu, bis die Männer sich auf dem Acker die Hemden auszogen, bis sie von der Sonne verbrannt und ausgedörrt waren und von Loyal mehr Wasser verlangten.
    Der Himmel verdunkelte sich, Loyals Atem brannte wie Feuer, während er die schwappenden Eimer schleppte. Er fing zu husten an und mußte stehenbleiben, krümmte sich zusammen. Im Westen türmten sich Gewitterwolken auf. Vielleicht würde ein Sturm die Hitze brechen. Es war zu heiß für Feldarbeit. Blitze flackerten so grazil und rasant, als wären sie Risse, die sich im Eis ausbreiteten.
    Kortnegger kam aus dem Holzschuppen.
    »Es zieht vielleicht nördlich an uns vorbei. Hier ist es trokken. Zwei Jahre Dürre. Ich erinnere mich noch an das verfluchte Jahr, wo jedes Gewitter vorbeigezogen ist. Man konnte den verfluchten Regen in Gackle fallen sehen. Drei Kilometer weiter nördlich, und wir haben nicht einen Tropfen abgekriegt. Verfluchtes Scheißland. Sollten es den verfluchten Indianern zurückgeben.«
    In den Bäumen fing es an zu rascheln. Wind aus Nordwesten, der am Laub zerrte, an den zum Trocknen aufgehängten Geschirrtüchern der Frau riß. Die Männer auf dem Acker schlurften langsam zu den Gebäuden zurück. Sie sahen aus wie Kartoffelkäfer.
    »Wohin zum Teufel glauben die, daß sie gehen?« schnauzte Kortnegger.
    »Es kommt ein Gewitter. Das sehen die genausogut wie Sie.«
    »Sagen Sie den Dreckskerlen, wenn sie ihren Lohn wollen, dann sollen sie weiterarbeiten. Ein bißchen Regen wird ihnen nicht schaden.«
    »Sie können verdammt leicht vom Blitz getroffen werden. Bei einem Gewitter bleibt nie jemand auf dem Feld.«
    »Die schon.« Kortnegger rief in den Wind. »Wieder an die Arbeit mit euch, ihr elenden Hunde. Wer das Feld verläßt, kriegt keinen Lohn!«
    »Sie können Sie nicht hören.«
    Die weißen Unterseiten des Laubs schäumten auf wie Gischt auf Wellenkronen. Krähen krächzten in den Ästen. Merkwürdig, daß sie nicht Schutz gesucht hatten. Raben, ja Raben waren anders als Krähen, Raben segelten auf den Windströmungen, erklommen die Türme aufsteigender Luft, flogen sogar im prasselnden Regen, aber das waren keine Raben. Im flackernden platinfarbenen Licht stolperten die alten Männer über das Feld.
    Im Obergeschoß schloß die Frau die Fenster, Farbe blätterte ab. Der Blitz zuckte durch das Wolkengewebe. Kortnegger ließ den Transporter an, der Motor brummte im Donnergrollen. Die Frau rannte schwerfällig zur Wäscheleine, um die Geschirrtücher

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