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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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ich, wir haben’s satt hier. Wir hauen heute abend ab. Sie wartet draußen. Wir hauen ab und gehen nach Westen, kaufen uns’ne Farm, fangen von vorn an. Sie sieht die Sache richtig. Sie hat gesagt: ›Ich hab’ nicht vor, mit meinen Leuten zu reden. Ist mir gerade recht, wenn ich keinen von denen je wiederseh’.‹ Sie will nur weg. Ich wollt’s euch nur klipp und klar sagen, damit ihr Bescheid wißt. Ich bin nicht wegen dem blöden Abendessen zurückgekommen oder um mir’nen Scheißmist über Deutsche und Kartoffelbrei anzuhören. Ich bin gekommen, um mir mein Geld und meinen Wagen zu holen. Ich möchte, daß ihr ihren Leuten Bescheid sagt. Sie ist nicht scharf drauf, sie zu sehen.« Als er das sagte, begriff er, daß sie genau das hätten tun sollen. Es wirkte jetzt so einfach, daß er nicht verstehen konnte, warum er sich dagegen gewehrt hatte.
    Schweigen trat ein. Am Tisch breitete sich Verstimmung aus, als hätte er mit einem Rohr blindlings Klaviertasten angeschlagen.
    Mink richtete sich auf; die Haare hingen ihm in die Augen. »Was zum Teufel redest du da? Soll das ein Witz sein? Seit zehn Jahren hör’ ich von dir nichts anderes wie, was du denkst, wie die Farm hier laufen soll, und jetzt sagst du so nebenbei, als wär’ da nix Besonderes dran, daß du abhauen willst? Zehn Jahre lang hab’ ich mir angehört, was du mit der Farm hier machen willst, wie du die Jerseys gegen Holsteiner austauschen willst: ›Nach dem Krieg’ne Melkmaschine anschaffen, sobald wir Strom kriegen, uns auf Milchwirtschaft verlegen.‹ Die Weiden und Heuwiesen auf Vordermann bringen, Luzerne anbauen,’n Silo hinstellen, mehr Mais anbauen, auf kommerzielle Milchwirtschaft umstellen. Profit machen. Alles in die Milchwirtschaft stecken, nicht mit’nem großen Garten rumtun oder mit Schweinen oder Truthühnern, weil es schneller geht und billiger ist, das Essen zu kaufen. Ich kann’s dich jetzt noch sagen hören. Du bist mir damit in den Ohren gelegen bis zum Gehtnichtmehr. Und jetzt das. Und dazu soll ich einfach ja und amen sagen?
    Junger Mann, ich will dir mal sagen, was du noch gesagt hast. Du hast Zeter und Mordio geschrien, daß der Wacholder die Äcker überwuchert,’ne halbe Stunde über den Obstgarten gequasselt, über Quecken, totes Holz, daß Kiefern die Quelle hinten bei den Nadelbäumen austrocknen, daß die Heuwiesen im Westen seit drei Jahren nicht gemäht worden sind und voll mit Kirschschößlingen. Das hast du gesagt. Hast gesagt, dir wär’s am liebsten, wenn der Tag vierzig Stunden hätte, damit du wirklich was getan kriegst.«
    Loyal hörte kaum zu, sondern betrachtete die ledrigen Falten, die von den Nasenflügeln zu Minks Mundwinkeln führten, betrachtete die Sehnen an Minks Hals, dachte an die naßglänzenden Stränge unter der Haut, dachte an fingerdick mit Blut angeschwollene Arterien, dachte an das Knirschen der Rippenknochen, wenn er einem Fuchs den Brustkorb eintrat.
    »Du kannst uns mit der Farm nicht allein lassen«, sagte Mink mit brummender Stimme, in der sich Selbstmitleid unter die Wut mischte. »Herrgott, dein Bruder hat bloß einen Arm, und mit meiner Gesundheit geht’s den Bach runter, seitdem ich unter den verdammten Traktor gekommen bin. Wenn ich gesund wär’, würd’ ich dir den Blödsinn aus dem Leib prügeln. Du taugst soviel wie’ne taube Nuß. Kannst du mir sagen, wie zum Teufel Dub und ich allein neunzehn Kühe mit der Hand melken sollen, zwei davon verfluchte Holsteiner, und die eine gibt keine Milch und schlägt aus. Herrgott, wie mir die Augen von dieser Kuh verhaßt sind. Du Saukerl, wie sollen wir das schaffen?«
    »Verdammt noch mal, die Holsteiner sind gutartig, besser als deine kleinen Jerseys. Die geben fast zweimal soviel Milch wie jede Jersey.« Er überließ sich der Erleichterung über den gewohnten Hickhack.
    »Ja, und schau dir an, wieviel sie fressen. Und geben bloß halb soviel Butterfett wie die Jerseys. Die Jerseys sind für dieses Land gemacht. Die kommen mit wenig aus und ernähren’ne Farm. Die sind zäh. Ich will dir noch was sagen. Versuch abzuhauen, und sie stecken deinen Arsch so schnell in’ne Uniform, daß dir die Spucke wegbleibt. Es ist Krieg, falls du das vergessen hast. Farmarbeit ist kriegswichtig. Den Westen kannst du vergessen. Liest du nie Zeitung? Hörst du nicht Radio? Die Farmen im Westen sind alle in Sandstürmen draufgegangen. Du bleibst hier.«
    Dub entzündete ein Streichholz am Daumennagel und steckte sich eine Zigarette

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