Postkarten
Splitter.«
»Du kannst schon mal die Teller saubermachen, aber nicht in den Kübel für die Schweine. Wirf es draußen weg. Ob die Hühner das Glas aufpicken, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich ja. Wirf es hinten im Garten weg.«
Vom Stall her war der Knall eines Schusses zu hören, dann noch einer und nach einer langen Pause ein dritter. Die Kühe brüllten wie Alligatoren, ein dumpfes Röhren, stampften, ihre Freßgitter klirrten. Vater Abrahams Gebrüll konnten sie heraushören.
»So was Hundsgemeines zu machen«, sagte Dub. »So was Hundsgemeines zu machen.« Jewell schauderte, die Finger über dem Mund, sah zu, wie Dub zum Eingang ging, seine Jacke vom Nagel riß, dann durch die Küche zurück zur Tür des Holzschuppens.
»Paß auf«, sagte sie in der Hoffnung, daß er wissen würde, worauf er aufpassen sollte. Mernelle fing zu schniefen an, nicht wegen der Kühe, sondern wegen Minks Wut, die aus ihm herausschoß wie Wasser aus einem geknickten Schlauch. Er war imstande, sie alle mit der Axt in Stücke zu hacken.
»Reiß dich zusammen und geh ins Bett«, sagte Jewell, während sie die Teller vom Tisch einsammelte. »Na, mach schon, ich hab’ genug Ärger, ohne daß du hier rumflennst.«
Sie saß am Tisch, als Mink hereinkam. Sie sah, daß seit dem Morgen auf seiner Wange graue Stoppeln gewachsen waren. Er warf die Flinte auf den Schrank, ohne sie zu reinigen, und setzte sich ihr gegenüber. Seine Hände waren ruhig. Das graumelierte Haar schaute unter seiner Mütze hervor, der Schirm ragte über seine Augen wie ein bedrohliches Horn.
»Weiß Gott, jetzt haben wir zwei weniger zu melken.« Feine Blutstropfen waren auf seinem Overall verteilt.
Wie ein Bühnenvorhang hob sich Dunst vom Bach. Noch am Vormittag neigten sich die Bäume naß und schweigend. Jede Oberfläche war mit perlenden Tropfen bedeckt, die Rinde, Holz, Farbe und Boden blasser machten. Dubs und Minks Kommen und Gehen hinterließ dunkle Spuren auf der Veranda und im Gras, das wie steife Haare mit Samenkörnern an den Spitzen stand. Das Stalldach verschwamm im Nebel; die Schweine wühlten im Misthaufen, so daß Blasen zur schwarzen Oberfläche des Morasts aufstiegen.
Schon vor Tagesanbruch war Mink draußen. Beim Geräusch des Traktors, der die Holsteiner zum Sumpf hinunterzog, wo Hunde, Füchse und Krähen sie finden würden, kämpfte sich Jewell aus dem Schlaf. Tuckernd hallte das Motorengeräusch durch den Nebel.
»Wenigstens hätten wir das Fleisch behalten können«, dachte sie, und Minks Zorn kam ihr so verschwenderisch vor, daß er dafür in einer Hölle würde schmoren müssen, die so karmesinrot war wie die Landschaft hinter den roten Zellophanstreifen der Zigarettenpackungen. Kein neuer Gedanke.
Er hatte so vieles getan, und nicht alles konnte sie vergessen. Die betäubenden Schläge, die Prügel, die er den Jungen verpaßte, genauso wie er sie selber bekommen hatte. Loyal, der mit vielleicht drei Jahren in seinen kleinen roten Stiefeln über den schlammigen Hof stolperte, wie ein verlorenes Kalb brüllte, aber immer noch seinen leeren Milcheimer festhielt, eigentlich eine Sahnekanne. Die Milch war verschüttet worden, als er auf nassem Mist ausgerutscht war. Mink hatte ihn durch den halben Stall geprügelt. »Ich werd’ dir beibringen, aufzupassen, wo du hintrittst! Du schüttest mir keine Milch aus!« Bis Loyal mit seiner leeren Kanne die Stufen zur Veranda erreichte, war seine gebrochene Nase zur Größe eines Hühnereis angeschwollen, und zwei Wochen lang war das Kind, das mit den schwarzen Ringen um die Augen wie ein Waschbär aussah, herumgeschlichen und Mink ausgewichen.
Als sie voller Zorn in den Stall hinübergerannt war, hatte Mink sich gewundert. »Hör mal zu. Wir müssen ihn von klein auf erziehen. Das müssen wir. Das ist zu seinem eigenen Besten. Bei mir war’s genauso. Und ich garantier’ dir, daß er keine Milch mehr verschüttet.« So war es auch gewesen.
Und dann Dub, der sich angewöhnt hatte, mit dem Hund unter dem Tisch zu essen, als er - wie alt? - fünf oder sechs war, bis Mink ihn an den Haaren hochgezerrt und kreischend in der Luft gehalten hatte: »Ißt du jetzt von deinem Teller? Ja oder nein?«
Aber sie konnte es ihm nicht wirklich zum Vorwurf machen, weil er sich so schnell wieder beruhigte, wie er sich aufregte. Das Temperament der Bloods. Loyal hatte das gleiche aufbrausende Temperament. Und hinterher friedfertig wie ein Lamm.
Mink und Dub kamen spät aus dem Stall herein. Auf der
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