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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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den Kopf: Im Telefonbuch nachsehen. Schauen, was die Leute so machten. Er stand auf, ohne auf Yarras herausgewürgte Frage aus dem anderen Bett zu achten, und nahm das Telefonbuch mit auf die Toilette, wo er sich zwischen den Kakerlaken auf den kalten Thron setzte und rasch die Gelben Seiten durchblätterte, um in Betracht zu ziehen, wie weit er es bringen konnte: als Adoptionsvermittler, Privatdetektiv, Klärbeckenreiniger, Diamantenhändler, Schildermaler, Jachthafenleiter, Kindergärtner, Handtuchauswechsler, Tennisplatzwärter, Rauchgeruchentferner, Seiler, Buchhändler, Verkehrsplaner oder Tätowierer. Er sah unter Immobilien nach. Zum Donnerwetter, da gab es Seiten über Seiten mit Schätzern, Planern, Immobilienverwaltern. Er war völlig aufgedreht. Es gab eine Reihe von Maklerschulen. In Miami. Am nächsten Morgen würde er eine anrufen. Einfach, um es zu probieren. Aber mein Gott, was war er aufgedreht und konnte nicht schlafen.
    Yarra machte ihn wahnsinnig. Der Kerl wollte stracks nach L. A. abzischen. Er wollte Corn-flakes, Schinken und Pfannkuchen zum Frühstück. Miami gefiel ihm nicht. Er hasse den Klang des Spanischen, sagte er, es gebe zu viele Nigger, es sei zu heiß, er habe einen Sonnenbrand allein vom Herumspazieren, das Auto sei mit einer Insektenschicht überzogen, die Windschutzscheibe völlig verklebt, er hasse Obst, in den Kirchen stünden die falschen Heiligen, nichts wie fort von hier.
    Dub ließ Yarra in einem Lokal zurück, wo dieser Zuckerrohrsirup über Maisbrot goß, und ging die Straße entlang, um einen kubanischen Kaffee zu trinken und ein paar zuckrige Churros zu essen. Hinter dem Jachthafen, einen Block von dem Lokal entfernt, gab es eine stille Telefonzelle. Er redete mit Leuten von zwei Maklerschulen. Bei der dritten ging niemand ans Telefon. Das Mädchen vom Immobilienmaklerinstitut Südflorida gefiel ihm, und er rief es nochmals an.
    »Klar weiß ich noch, daß ich vor zehn Minuten mit Ihnen gesprochen habe. Und was bin ich froh, daß Sie wieder anrufen?« Sie machte aus jeder Aussage eine Frage. »Weil mir noch was eingefallen ist. Wir bieten Halbjahreskurse an, nach denen Sie eine Immobilienmaklerlizenz beantragen können, allerdings nur zum Verkauf von Immobilien, wissen Sie. Aber. Es gibt die Immobilienmaklerhochschule, das Miami Realty Junior College. Die bietet wirklich gute Kurse zu allen Bereichen des Gewerbes, wenn Sie ernsthaft daran interessiert sind, in diesen Beruf einzusteigen? Nicht nur verkaufen. Sondern. Investitionen, Planung, Aktien? Sie können tagsüber arbeiten und abends zum Unterricht gehen? Ich sollte Ihnen das eigentlich nicht erzählen, aber Sie haben sich so angehört, als wollten Sie alles genau wissen?«
    »Ich will alles genau wissen. Das habe ich mir gerade vorgenommen. Und ich will Ihren Namen wissen und wann Sie mit der Arbeit fertig sind. Ich möchte Sie auf einen Drink einladen, weil Sie mir geholfen haben. Und Sie kennenlernen.«
    »Mr. Blood, ich habe eine Überraschung für Sie? Sie haben sich von einer Frauenstimme betören lassen. Ich bin zweiundsechzig und Großmutter, und mein Mann hätte was dagegen, wenn ich mich mit einem Fremden in Kneipen rumtreibe? Aber. Ich weiß von der Hochschule, weil meine Tochter dort vor sieben Jahren einen Abschluß gemacht hat. Sie ist dann nach Houston? Sie arbeitet bei einer Spitzenfirma? Also läßt es sich schaffen. Aber danke für die Einladung. Auf Wiederhören und viel Glück?«
    Yarra war mürrisch. Er stand vor dem Lokal auf dem Gehsteig und sah die Straße hinauf und hinunter. Er schlug sich mit der Faust auf die Handfläche der anderen Hand, stellte die muskulösen Unterarme zur Schau. Arme wie Taue, die Levis mit Kniffen wie Metall. Hatte den Anglerhut zurückgeschoben. Sah auf die Uhr. Denkt wohl, ich bin ihm davongelaufen, dachte Dub. Einen Moment lang war er in Versuchung, er hatte das Geld, aber er trat hinter Yarra und tippte ihm auf die Schulter.
    »Wo zum Teufel warst du?«
    »Beim Telefonieren. Pläneschmieden.«
    »Ach ja? Also, mein einziger Plan ist, von hier fortzukommen. In dem Maisbrot war eine Scheißkakerlake. Ich hätt’ fast auf den Tisch gekotzt. Ich will weg hier.«
    »Reden wir drüber. Mir gefällt’s hier.«
    »Es gefällt dir! Was bist du denn für einer, magst die Latinos oder was?«
    »Keine Ahnung, ich fühl’ mich wohl hier. Hier ist was los, hier hat man das Gefühl, daß man’ne Chance hat. Als würde man jeden Tag zum Pferderennen gehen.«
    »Miami stinkt.

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