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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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einer Kiste auf dem Rücksitz, fuhr er wochenlang herum, überlegte es sich, bevor er nach South Dakota zu Donald, dem Knochenaufkäufer, und dessen Ranch fuhr, die zugleich Kneipe, Ausrüstungsund Lebensmittelladen war.
    Donald der Knochenmann, ein Kauz mit einem verwilderten Schnauzbart, der über seinen dicken Mund hing, einem fliehenden Kinn und von Haaren bedeckten Ohren, geleitete Loyal mit einer schwungvollen Bewegung seiner Manschette mit den Perlknöpfen ins Hinterzimmer. Auf der rechten Wange hatte er eine Narbe in Form einer Steckdose, er trug einen Cowboyhut mit breiter, aufgebogener Krempe und angemessener Delle, der lange Torso steckte in einem Westernhemd, das in einer ausgebleichten Jeans verschwand. Sie wurde von einem geprägten Ledergürtel zusammengehalten, auf dessen Schnalle die Sonne hinter einem gezackten Hügelkamm unterging. Er zahlte gewöhnlich gutes Geld für Knochen und noch besseres, wenn man ihm eine Karte des Fundorts zeichnete. Was Donald verdiente, wußte niemand so genau, aber er fuhr einen mintfarbenen Transporter, den er jedes halbe Jahr für einen neuen in Zahlung gab. Donald wollte kein Öl wechseln. Seine Westernhemden waren maßgeschneidert. In Donalds Hinterzimmer stapelten sich Kisten mit Knochen, durch die sich im Sommer die Archäologen und Paläontologen von Museen und Universitäten im Osten wühlten. Mit schmeichelnder Stimme baten sie Donald um einen Führer zu den Fundstellen ausgewählter Stücke. Donald war ein Treffpunkt, ein Ausgangspunkt für Anfänger.
    Loyal sah, wie Donald eine ganz bestimmte Miene aufsetzte; er wußte, was er vorhatte. Er wollte die Knochen wegen des Urans verkaufen.
    »Ich will, daß ein Experte in irgendeinem Fossilienmuseum sie bekommt. Wenn ich sie wegen dem Uran verkaufen wollte, hätte ich das selber tun können.«
    »Für das Uran würdest du mehr kriegen.«
    »Ich will, daß sie einer von den Burschen sieht, die Fossilien untersuchen - damit er feststellt, was sie mal waren.«
    »Mensch, das kann ich dir auch sagen. Die hier stammen von einem Entenschnabelsaurier, und ich wette, du hast sie am Lance Creek gefunden. Dort gibt’s’ne Menge Skelette von Entenschnäblern. Dort und in Kanada im Rotwildgebiet, in Alberta oben. Willst du sehen, wie sie ausgeschaut haben?«
    Donald kramte in einem Bücherregal und fand ein abgegriffenes Life -Magazin mit rosa verblaßten Farbtafeln.
    »Schau hier. Da hast du deine verfluchten Entenschnäbler.« Auf der Abbildung waren schlammbraune, bis zur Brust untergetauchte Tiere zu sehen. Aus ihren Mäulern hingen triefende Pflanzen. »So was hast du gefunden. Sind in den Sümpfen rumgekrochen. Waren zu schwer, um auf trockenem Boden herumzuspazieren, darum mußten sie im Wasser treiben. Die Dinger waren über zehn Meter lang. Gar nicht so selten. Für das Uran in deinen Proben kriegst du mehr. Da kannst du sicher sein.«
    »Mister, ich bin da draußen auf’ne Menge Knochen gestoßen. Ich will nicht, daß die für das Scheißuran draufgehen. Wenn ich das wollte, dann würde ich’s tun. Für die Knochen interessiere ich mich. Für diese Entenschnabelviecher.«
     
    Der Splitter war eine merkwürdige Sache. Hinten in seinem Jeep hatte jahrelang eine alte Holzkiste gestanden. In die hatte er Erzproben und Gesteinshämmer geworfen, bis eines Tages die Seitenteile kaputtgingen und der Boden herausfiel. Auf der Ladefläche liegend, war sie nur noch der Schatten ihrer selbst. Die im Jeep herumpolternden Gesteinsbrocken, Knochen, Werkzeuge und Rohre waren auf dem Plateau kilometerweit zu hören.
    »Der verfluchte Lärm macht einen ja wahnsinnig.« Er bog auf einen von Pappeln beschatteten Rastplatz. Wollte früh ein Lager aufschlagen, die Ladefläche des Jeeps ausmisten. Er schlug mit dem stumpfen Ende der Axt auf die kaputte Kiste.
    »Zu nichts mehr zu gebrauchen, außer als Feuerholz zum Kaffeekochen.« Wie von der Tarantel gestochen, feuerte die Kiste einen fünf Zentimeter langen Splitter ab, der am äußeren Augenwinkel sein rechtes Lid durchbohrte und das Lid an das Auge heftete. Der Schmerz war ungeheuerlich, eine Höllenqual. Er stolperte zum Fahrersitz und blickte mit seinem unversehrten Auge in den Rückspiegel. Er glaubte nicht, daß der Splitter tief steckte. Auf dem Armaturenbrett lagen zwei Schraubzwingen. Er würde ihn herausziehen müssen. Würde die knapp hundert Kilometer nach Tongue Bolt fahren müssen, wo es so etwas wie ein Krankenhaus gab.
    Er verbot sich, darüber nachzudenken, und

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