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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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In L. A. ist es besser. Das Klima ist gut und gleichbleibend, nicht so schweißtreibend wie hier. In L. A. hab’ ich Beziehungen. Wir räumen ab. Kaufen uns’n tolles Papier für die Briefe. Führen’n gutes Leben. He, Hollywood! Noch ein paar so hübsche Briefchen wie gestern, und wir sind fein raus.«
    »Ich will nicht nach L. A. Ich will keine Briefe mehr schreiben. Ich teil’ die fünfhundert mit dir, aber ich bleib’ hier. Will auf die Immobilienmaklerschule. Ich hab’ am Nachmittag einen Termin bei der Zulassungsstelle.«
    Yarra hörte auf, auf seinem Stück Knorpel herumzukauen. »Ach, ach, ach, ich bin mit einem Prinzen unterwegs.« Er legte die rechte Hand auf die Hüfte und schob mit der anderen sein drahtiges Haar zurück. »Ach, verzeihen Sie mein schlechtes Benehmen, mein Herr, ich dachte, wir hätten verdammt noch mal das gleiche vor, aber jetzt sehe ich klar. Ich wußte nicht, daß ich mit einem Prinzen rumgezogen bin. Zum Teufel. Mit dir macht’s sowieso kein’ großen Spaß. Bist eh bloß ein verfluchter Farmer, den die hellen Lichter blenden. Gib mir zweihundertfünfzig, und du bist mich los.«
    »Zweihundertfünfundzwanzig - ich hab’ dir gestern nach dem Einlösen fünfundzwanzig gegeben.«
    »Ach ja. Das wollen wir doch bloß nicht vergessen, wie? Aber eins möcht’ ich dich fragen: Wer hat dich auf die Idee mit den Briefen gebracht? Ich. Wer hat dir den Schwindel beigebracht? Ich. Wer hat dir die Adressenliste besorgt? Ich. Wer hat die Briefe abgeholt? Ich. Und wer kriegt jetzt ein’ Tritt in den Hintern und kann schauen, wo er bleibt? Ich. Aber eins sag’ ich dir: Du schaffst es nie. Du bist nicht der Typ, der’s schafft.«
    »Leck mich. Aber wenn’s dich glücklich macht, geb’ ich dir zweihundertfuffzig.« Er wollte Yarra einfach loswerden. Von Minute zu Minute begeisterte Florida ihn mehr, spürte er den elektrisierenden Rhythmus.
    »Und was ist mit dem VW? Wer kriegt den VW?« Ein Strom von Leuten lief an ihnen vorbei, eine Frau, deren rote Zehennägel aus Schuhen mit Lochmuster herausragten, eine Schwarze in einem mit lila Orchideen bedruckten Kleid, eine Schwarze in Uniform mit einer Woolworth-Tüte. Zwei kleingewachsene Kubaner, deren Bäuche die Guayabera-Hemden ausfüllten, mit Brusthaaren, die den Hals hinaufwuchsen, gehaltvollen Zigarettenrauch hinter sich herziehend, rannten in sie hinein, als sie zwei Blondinen in knielangen Hosen und Ballerinaschuhen hinterherstarrten. Ein Tourist zerrte ein Kind vorbei, das einen Hasenballon an den Ohren hielt. Ein Zwerg mit roter Weste, drei Bauarbeiter ohne Hemden, bei denen das Bauchhaar aus den Blue Jeans ragte, ein Mann mit roten Glasringen an jedem Finger, ein streng blickender Mikasuki-Indianer in zweifarbigen Halbschuhen und einem gelben Hemd kamen vorbei, der Verkehr, Busse übertönten ihre Stimmen, daß sie sich gegenseitig ins Gesicht spucken mußten.
    »Na schön, fahren wir damit zu ein paar Gebrauchtwagenhändlern und schauen, was sie bieten. Verkaufen die Kiste für das höchste Gebot. Du willst das Auto? Dann zahl’ mir meine Hälfte. Wir haben bei dem Auto halbe-halbe gemacht. Wir können’s verkaufen, die Knete aufteilen. Stehen dann beide besser da, glaub’ ich. Du kannst mit dem Bus nach L. A. fahren.«
    Sie bekamen zweihundert für den schwarzen VW, und Yarra fuhr am Mittag Richtung Mobile, New Orleans und Westen los.
    »Gott sei Dank, Fleischklops!« rief er, aus dem Busfenster gelehnt, und zeigte Dub den ausgestreckten Mittelfinger.
     
    Wie ein Tiger stürmte Mr. Bent durch die Klassenzimmertür. Er stellte sich vor die Klasse, starrte sie einen Moment lang an. Sein Gesicht war rotorange gebräunt. Ein Muskelring um seinen Mund entzog dem Rand seiner Oberlippe die Farbe und verlieh ihm das Aussehen eines verschlagenen Affen. Die Tränensäcke unter seinen Augen waren dunkelblau. Sein links gescheiteltes Haar war über dem linken Auge zu einer großen Tolle geformt. Er trug einen weißen Leinenanzug, dazu ein blaßgelbes Nylonstrickhemd. Der spitze Kragen ragte über die Anzugrevers, und wenn Mr. Bent sich vorbeugte, konnte Dub, der in der ersten Reihe saß, die auf die linke Brustseite gestickte Krone sehen. Er beugte sich vor und sagte mit schmeichlerischer Stimme: »Ich bin Millionär. Wie viele von Ihnen wollen Millionär werden?«
    Die kubanisch aussehende Frau neben Dub ließ die Hand hochschnellen und behielt sie oben. Weitere Hände gingen hoch. Dub zögerte und dachte, warum zum Teufel sollte er

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