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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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habe. Und wenn ich entlassen werde, will ich diese Summe mit dem Menschen teilen, der mir seine Freundschaft schenkt, und zwar halbe-halbe. Hier, in diesem schrecklichen Gefängnis, ist mir das Geld zu nichts nütze. Die Ratten sind furchtbar. Wenn ich an das Geld könnte, wäre ich im Nu frei. Doch ich weiß, daß Sie ein Landsmann sind, dem man vertrauen kann, und wenn Sie mir die $ 300 schicken, werde ich mich nach meiner Freilassung umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen, und wir fahren gemeinsam zu der Stelle, wo ich die hohe Summe versteckt habe. Sie, der gute Samariter, bekommen fünfhundertmal soviel zurück, wie Sie investiert haben.
    Da es riskant ist, einen Brief über die Grenze zu schikken, habe ich eigens eine persönliche Übergabe arrangiert. Schicken Sie das Geld in einem einfachen braunen Umschlag oder eine Geldanweisung an Mr. Marvin E. Blood 1408 Lily Garden Ave., Miami, Florida. Er wird es an einen zuverlässigen Freund weitergeben, der bald geschäftlich in Mexiko zu tun hat.
    Hochachtungsvoll
    Joseph W. MacArthur
    (entfernt verwandt mit Gen. Douglas MacArthur)
    Das war’ne Arbeit. Aber das hier war die richtige Gegend für ihn, Florida, die pralle Helligkeit, das Pikante und die Leute mit dem raschen Verstand. Hier fühlte er sich lebendig. Er würde nie wieder nach Norden zurückkehren.
    »Ich hab’ ihn ans Fenster gehalten. Ich hab’ eine Geldanweisung gesehen.«
    Dub schlitzte den Umschlag mit seinem Klappmesser auf. Aus einem zusammengefalteten Brief glitt eine Anweisung über fünfhundert Dollar.
    »Menschenskind! Wir haben das große Los gezogen. Der Kerl hat zweihundert mehr geschickt, als ich wollte. Hör dir das an. Hör dir das nur an.
    Sehr geehrter Mr. MacArthur! Vielleicht bin ich verrückt, mich auf Sie einzulassen, aber ich will es riskieren. Ich glaube, daß Sie es mir lohnen werden. Ich war selbst schon einmal am Ende. Anbei finden Sie $ 300, damit Sie aus dem ›mexikanischen Gefängnis‹ kommen, und weitere $ 200, damit Sie einer rechtmäßigen Berufung nachgehen können. Ich habe gehört, in Florida kann man ein Vermögen mit Immobilien und in Berufen machen, die mit der Tourismusindustrie zu tun haben. Vielleicht hilft Ihnen das auf die Beine.
    Hochachtungsvoll
    J. J. Randall.«
    »Mensch, er weiß, daß es ein Dreh ist.«
    »Ja. Und schickt trotzdem Geld. Der Bursche ist ja verdammt nett.« Dub schwamm in einem Meer von Glück.
    »Hat wahrscheinlich auch gesessen, weiß, wie es ist. Hat wahrscheinlich grade’nen Supermarkt überfallen oder so. Hat vielleicht’ner alten Dame eins übergebraten, ihr das Geld fürs Katzenfutter geklaut.«
    »Ja. Aber vielleicht will er auch nur jemandem helfen. Oder ist’n reicher Kerl, der fünfhundert gar nicht spürt. Solche Leute gibt’s. In Palm Beach sind sie so. Da wohnt auch Randall, in Palm Beach. Nachts kannst du ohne Genehmigung nicht mal auf die Straße. Das sind steinreiche Leute.«
    »Und sie klammern sich dran. Palm Beach. Dort stecken die reichen Familien ihre Deppen hin. Suchen’n warmes Klima aus, damit die Trottel sich nicht zu Tode frieren, weil sie nicht wissen, wie man Feuer macht.«
    »He, sei nicht so verbittert. Gehen wir. Laß uns das Ding hier einlösen.«
    »Ich will das beste Essen in der Stadt, Steaks mit Zwiebeln und Pilzen, aus dem Loch hier raus. Wie wär’s mit Los Angeles? Ich will aus dem Loch hier raus.« In Yarras feiste Züge kam ein bißchen Leben, sein Gesicht hatte die Farbe von einem Fuß, der lange verbunden war.
    »Ich bin am Nachdenken.«
    »Denk unterwegs nach. Na los.«
    »Ich möcht’ lieber so ein kubanisches Sandwich. Die schmecken mir.«
    Dub las den Brief beim Essen noch einmal, während er scharfgewürztes Schweinefleisch in sich hineinstopfte. Die Kruste riß ihm den Gaumen wund. Der Brief. Zum Teufel noch mal, Immobilien. Seit der Klavierstimmerei hatte er nicht mehr daran gedacht, etwas zu arbeiten. Bloß Schwindelbriefe. Wie dumm von ihm.
    »Yarra, hast du gewußt, daß ich mal als Klavierstimmer angefangen hab!?«
    »Wirklich? Und dann?«
    »Nichts. Nichts.« Er dachte nach. Immobilien brauchten es nicht zu sein. Er konnte alles machen. Er versuchte sich Tätigkeiten zu überlegen, aber alles, was ihm einfiel, waren Kellner, Geschäftsführer in einem Lokal, Postangestellter, Motelangestellter, Dinge, die ihm in den Sinn kamen, wenn er den Tag durchging. Nichts davon sagte ihm zu. Wo zum Teufel fand man zu seinem »Beruf«?
    Spät in der Nacht schoß ihm eine Idee durch

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