Power - die 48 Gesetze der Macht
gegen ihn zu schreiben.
VOLTAIRE, 1694–1778
Verfallen Sie nicht dem Irrglauben, dass in unserer Zeit alte Orthodoxien nichts mehr gelten. Jonas Salk beispielsweise meinte, die Naturwissenschaften hätten Politik und Protokoll überwunden. Und so verstieß er bei seiner Suche nach einem Polio-Impfstoff gegen alle Regeln. Er ging mit einer Entdeckung an die Öffentlichkeit, ehe er sie in Wissenschaftlerkreisen vorgestellt hatte, er strich den Ruhm für den Impfstoff ein, ohne die Arbeit von Kollegen anzuerkennen, die ihm den Weg bereitet hatten, er machte sich zum Star. Die Öffentlichkeit liebte ihn dafür vielleicht, aber die Wissenschaftler gingen ihm aus dem Weg. Mit seiner Missachtung der wissenschaftlichen Gepflogenheiten isolierte er sich, und er verschwendete Jahre darauf, den Bruch wieder zu kitten, Forschungsgelder aufzutreiben und die Zusammenarbeit mit anderen wiederherzustellen.
Die Mächtigen hüten sich nicht nur vor den Fehlern eines Salk, sie lernen auch, den schlauen Fuchs zu spielen und sich den Anstrich des gemeinen Mannes zu geben. Seit vielen Jahrhunderten ist das die List von Politikern und Trickbetrügern gleichermaßen. Führungspersönlichkeiten wie Julius Cäsar oder Franklin D. Roosevelt konnten ihre angeborene aristokratische Haltung ablegen und eine gewisse Ver t rautheit mit dem Mann auf der Straße herstellen. Diese Vertrautheit brachten sie in kleinen, oft symbolischen Gesten zum Ausdruck und zeigten den Menschen damit, dass ihre Führer trotz ihrer herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung die gemeinsamen Werte aller teilten.
Die logische Ausweitung dieser Taktik ist die unschätzbare Fähigkeit, allen Menschen immer als das zu erscheinen, was sie sehen wollen. Wenn Sie sich in Gesellschaft begeben, dann lassen Sie Ihre eigenen Vorstellungen und Werte hinter sich, legen Sie die Maske an, die der Gruppe, in die Sie sich begeben, am angemessensten ist. Bismarck verfolgte diese Taktik über Jahre hinweg mit großem Erfolg – es gab zwar Menschen, die halbwegs durchschauten, was er vorhatte, aber nicht deutlich genug, dass es etwas ausgemacht hätte. Die meisten aber schlucken den Köder, weil es ihnen ein gutes Gefühl gibt, daran zu glauben, dass Sie ihre Vorstellungen teilen. Sie werden Sie nicht als Heuchler entlarven, wenn Sie vorsichtig zu Werke gehen – denn wie könnten sie Sie der Scheinheiligkeit anklagen, wenn Sie einfach nicht klar zu erkennen geben, wofür Sie einstehen? Und zugleich können sie Ihnen auch nicht vorwerfen, dass es Ihnen an Überzeugungen und Werten mangelt. Denn selbstverständlich haben Sie Überzeugungen und Werte – genau die, die Sie mit ihnen teilen, solange Sie in ihrer Gesellschaft sind.
Symbol: das schwarze Schaf. Die Herde hält sich vom schwarzen Schaf lieber fern, denn sie ist unsicher, ob es zu ihr gehört oder nicht. Also trottet es hinterher, oder es entfernt sich von der Herde, wo es dann von Wölfen in die Enge getrieben und prompt gefressen wird. Gehen Sie mit der Herde – die große Zahl bietet Schutz. Bewahren Sie sich Ihre Andersartigkeit im Kopf, aber demonstrieren Sie sie nicht als in der Wolle gefärbt.
Garant: Gebt das Heilige nicht den Hunden, und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor, denn sie könnten sie mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen. (Jesus Christus in Matthäus 7,6)
GESETZ
39
SCHLAGE WELLEN, UM FISCHE ZU FANGEN
WAS HEISST DAS?
Wut und Ärger sind strategisch kontraproduktiv. Sie müssen immer ruhig und objektiv bleiben. Doch wenn Sie Ihre Feinde wütend machen, während Sie selbst die Ruhe bewahren, gewinnen Sie einen entscheidenden Vorteil. Bringen Sie Ihre Feinde aus der Fassung: Finden Sie die Schwachstelle in deren Eitelkeit, durch die Sie Ihr Opfer aus dem Konzept bringen. Dann halten Sie alle Fäden in der Hand.
SCHLÜSSEL ZUR MACHT
Wütende Menschen machen sich letzten Endes lächerlich, denn ihre Reaktion ist dem, was sie auslöste, meist nicht angemessen. Sie nehmen die Dinge zu ernst und übertreiben die Beleidigung oder Verletzung, die ihnen angetan wurde. Sie sind gegenüber der leisesten Kränkung so sensibel, dass es komisch wirkt, wie persönlich sie das alles nehmen. Noch komischer allerdings ist ihre Überzeugung, ihre Wutausbrüche würden Macht signalisieren. Das Gegenteil ist wahr: Reizbarkeit ist kein Zeichen von Macht, sondern von Hilflosigkeit. Vorübergehend lassen sich andere von ihren Wutausbrüchen vielleicht einschüchtern, letzten Endes
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