Power - die 48 Gesetze der Macht
aber verlieren sie ihnen gegenüber jeden Respekt. Auch geht ihnen dann auf, dass sie eine Person mit so wenig Selbstbeherrschung leicht unterminieren können.
Das Problem löst man allerdings nicht dadurch, dass man seine Wut oder eine andere emotionale Reaktion unterdrückt. Denn dieses Unterdrücken zehrt an unseren Energien und treibt uns zu seltsamem Verhalten. Stattdessen müssen wir unsere Perspektive wechseln: Es muss uns klar werden, dass im gesellschaftlichen Bereich – und beim Spiel um die Macht – nichts persönlich gemeint ist.
Man soll, wo möglich, gegen Niemanden Animosität hegen … Zorn oder Hass in Worten, oder Mienen blicken zu lassen ist unnütz, ist gefährlich, ist un-klug, ist lächerlich, ist gemein. Man darf also Zorn, oder Hass, nie anders zeigen, als in Thaten. Letzteres wird man umso vollkommener können, als man Ersteres vollkommen vermieden hat. – Die kaltblütigen Thiere allein sind die giftigen.
ARTHUR SCHOPENHAUER, 1788–1860
Jeder ist in einer Kette von Ereignissen gefangen, die weit in die Vergangenheit zurückreicht. Unser Zorn rührt oft von Problemen in unserer Kindheit her, von Schwierigkeiten mit unseren Eltern, die sich wiederum auf deren Kindheit zurückführen lassen, und so weiter und so fort. Unsere Wut wurzelt auch i n den zahlreichen Interaktionen mit anderen, den akkumulierten Enttäuschungen und Seelenqualen. Oft betrachten wir ein bestimmtes Individuum als den Auslöser unserer Wutreaktion, doch das alles ist viel komplizierter und geht weit über das hinaus, was jenes Individuum uns angetan hat. Wenn eine Person auf Sie wütend reagiert (und ihre Reaktion dem, was Sie ihr angetan haben, nicht angemessen scheint), müssen Sie sich daran erinnern, dass diese Wut nicht exklusiv gegen Sie gerichtet ist – so eitel sollten Sie nicht sein. Die Ursache ist viel umfassender, reicht weit in die Vergangenheit zurück, bezieht Dutzende von früheren emotionalen Verletzungen mit ein und ist es wirklich nicht wert, dass Sie versuchen, sie zu verstehen. Statt das Ganze als persönlich gemeinten Groll zu verstehen, sollten Sie den Gefühlsausbruch als getarnten Zug beim Spiel um die Macht begreifen, als einen Versuch, Sie zu kontrollieren oder zu bestrafen, der in die Form von verletzten Gefühlen oder von Wut gekleidet ist.
Dank eines solchen Perspektivenwechsels können Sie beim Spiel um die Macht mit größerer Klarheit und mehr Energie mitmischen. Statt überzureagieren und sich in die Emotionen anderer verstricken zu lassen, werden Sie deren Verlust der Selbstkontrolle zu Ihrem Vorteil nutzen.
Während einer wichtigen Schlacht im Krieg der Drei Königreiche im 3. Jahrhundert n. Chr. entdeckten Berater des Heerführers Ts’ao Ts’ao Dokumente, denen zufolge einige seiner Generäle sich mit dem Feind verschworen hatten, und drängten darauf, diese gefangen nehmen und hinrichten zu lassen. Stattdessen befahl der Heerführer, die Dokumente zu v erbrennen und die Angelegenheit zu vergessen. In einem entscheidenden Moment des Kampfes sich aufzuregen und Gerechtigkeit zu verlangen wäre auf Ts’ao Ts’ao zurückgeschlagen: Eine wütende Reaktion hätte die Aufmerksamkeit auf die Illoyalität der Generäle gelenkt, was wiederum die Moral der Truppe beschädigt hätte. Die Gerechtigkeit konnte warten – mit den Generälen würde er sich befassen, wenn die Zeit dafür gekommen war. Ts’ao Ts’ao behielt einen kühlen Kopf und traf die richtige Entscheidung.
Der Bischof Ryôkaku, ein älterer Bruder von Kinyo, der den Zweiten Hofrang bekleidete, war ein sehr jähzorniger Mann. Da in der Nähe seines Tempels ein Enoki-Baum stand, hatten ihn die Leute den Enoki-Bischof genannt. Er wollte aber nicht so heißen und hieb daher den Baum um. Nun war jedoch der Stumpf noch übriggeblieben, und man gab ihm den Namen »Stumpf-Bischof«. In immer größere Wut geratend, ließ er schließlich den Stumpf ausgraben und wegwerfen. Allein, nun war ein Loch an dieser Stelle, das sich mit Wasser füllte, und so hieß man ihn fortan den »Loch-Bischof«.
TSUREZUREGUSA VON YOSHIDA KENKÔ, 14. JH.
Mit Wut berauben Sie sich nur Ihrer Optionen, und das Spiel um die Macht können Sie nicht gewinnen, wenn Sie sich keine Alternativen offenlassen. Wenn Sie sich erst einmal angewöhnt haben, nichts persönlich zu nehmen und Ihre Gefühle unter Kontrolle zu haben, sind Sie in einer überlegenen Machtposition: Jetzt können Sie mit den emotionalen Reaktionen anderer spielen. Zwingen Sie
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