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PR 2658 – Die Stunde des Residenten

PR 2658 – Die Stunde des Residenten

Titel: PR 2658 – Die Stunde des Residenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Themsen
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von der Weide in das Loch getrieben hatte, in dem sie nicht mehr hatten springen können.
    Seit sie alle zusammen in diese seltsame Höhle gedrängt worden waren.
    Es roch nach vielen anderen Tieren. Nach Feind. Nach Tod.
    Ihr Herz klopfte hart und schnell. Ihr Atem ging hastig. Als das Junge endlich von ihr abließ, machte sie einen kleinen Satz nach vorn, um die Spannung ihrer Muskeln zu lösen. Es scherte sie nicht, dass sie gegen eine Herdenschwester sprang. Es scherte sie auch nicht, als diese ihre Zähne in ihr Fell grub und sie kniff. Sie stieß die andere mit dem Kopf beiseite, bleckte ihre Zähne.
    Wo keine Flucht war, blieb nur der Kampf. Und wenn der Feind sich nicht zeigte, ließen sie es aneinander aus.
    Sie mussten raus aus diesem tiefen Loch, in das man sie getrieben hatte. Hinauf zum Wind, dem Gras und der Sonne.
    Sie brauchten wieder Freiheit.
     
    *
     
    Hätte Bull mit dem Gravo-Pak seines SERUNS maximal beschleunigen können, wäre er innerhalb einer Minute an der Solaren Residenz gewesen. Er musste aber mehrere Sicherheitsschotts passieren und dreimal über Nottreppen die Ebene wechseln. Auch wenn die automatische Überwachung desaktiviert war, bestand weiterhin die Gefahr einer Zufallsbegegnung, wenn er einen Antigravschacht nahm.
    Die Viertelstunde, die dabei verstrich und in der er nur seinen Atem hörte, kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Was alles vom Gelingen seines Vorhabens abhing und wie viel gegen einen Erfolg sprach, türmte sich in seinen Gedanken zu einem drohenden Berg auf.
    Ich bin nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation. Kein Grund, sich kirre machen zu lassen.
    Schließlich stand Bull vor einem Schott aus demselben blaugrauen Stahlplastik, das ihn schon die ganze Zeit umgab. Statt einfacher Buchstaben und Zahlen zeigte dieses aber ein wohlbekanntes Bild: die grauweiße Stahlorchidee auf blauem Grund. Unter dem Logo der Residenz prangte die Zahlenkombination »20-3«, und ein grünes Leuchtband zeigte, dass die Schleuse benutzbar war. Der See, in den das Schott sich andernfalls öffnete, war abgepumpt und die Stahlorchidee mit Streben und Prallfeldern an ihrem Platz im Futteral verankert.
    Es war eine jener Schleusen, über die man im abgesenkten Zustand von Ebene 20 der Residenz in die Oberkante des Futterals gelangen konnte – oder eben auch anders herum von außen herein. Sie lag an einer Schmalseite des oval geformten Hauptträgers. Etwa vierhundert Meter über ihm begannen die fünf Seitenflügel, die wie Blütenblätter rings um den Hauptträger angeordnet waren und nur an der Südseite den freien Lichteinfall zur Mitte gestatteten.
    Bull trat an die Eingabefläche und gab seinen persönlichen Überrangkode an. Nahezu lautlos glitt das Schott nach oben. Kurz sah er dahinter das zweite Schott, das bereits Teil der Residenz war, ehe auch dieses verschwand.
    Und den kegelförmigen TARA-Kampfroboter direkt dahinter.
     
    *
     
    Der Krach, mit dem das Hangartor unter dem Torpedobeschuss aufbrach, war ohrenbetäubend. Als Augenblicke später die Trümmer abbrachen und ins Weltall trieben, war allerdings kein Medium mehr vorhanden, das den Schall hätte übertragen können.
    »Zum Teufel«, murmelte Marschel, der Leiter der Instandhaltung und Wartung. »Da hat man das Schiff grad mal wieder überall zusammengekittet, und dann kommen solche Vandalen ...«
    Der Dreiviertelferrone mit dem mehr braunen als roten Haar machte, dass er aus der Schleuse kam, in die er sich im letzten Moment gerettet hatte. Direkt nach der Schleuse lief er Ridar Herriman in die Arme. Der hochgeschossene Hangarleiter war ein entfernter Cousin des Kommandanten und führte sich manchmal auf, als habe er selbst diesen Posten inne. Ein Blick auf die schmal zusammengepressten Lippen des Mannes machte Marschel klar, dass es auch dieses Mal so war.
    »Mitkommen!«, forderte Herriman. »Wir organisieren eine Verteidigung.«
    Marschel traute seinen Ohren nicht. Seit Jahrzehnten war seine einzige Waffe der Impulsschlüssel gewesen, und nun sollte er kämpfen? Hatten sie dafür nicht die Landetruppen an Bord?
    Hinter ihm rauschte ein Schott zu. Marschel zuckte zusammen und beeilte sich, zu Herriman aufzuschließen, der mit weit ausholenden Schritten den Gang hinunterlief. Es schadete sicher nicht, sich zumindest zur Verteidigung bereit zu machen.
    Zwei Frauen und einen Mann der Hangarmannschaft sammelte Herriman auf dem Weg zur Hangarzentrale noch ein. Die erste war Herrimans Frau, die nicht weniger entschlossen

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