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PR 2673 – Das 106. Stockwerk

PR 2673 – Das 106. Stockwerk

Titel: PR 2673 – Das 106. Stockwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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wehende Gestalt sich um ihn herum bewegte, als müsse sie ihn von allen Seiten betrachten. »Natürlich gehöre ich zur Flotte und bin Raumfahrer. Was sollte ich sonst sein?«
    Die Gestalt hatte sich einmal um ihn herumgewickelt, ohne dabei die Verbindung zu der Flasche zu verlieren. Urplötzlich griff sie mit beiden Händen zu und umfasste Ollowas Schultern. Der Mann versuchte zwar, den Griff abzuwehren, doch er hielt in der Bewegung inne.
    »Dir fehlt etwas Entscheidendes, nämlich Phantasie«, raunte die Nebelwolke, wobei sie mit den Opalaugen rollte. »Ich bin Pazuzu; ich kann klein sein oder groß, bedeutend oder ein Nichts.«
    Für einen Moment starrte Odo Ollowa auf sein Spiegelbild, das sich vor ihm verdichtete. Einen Lidschlag später war da nur wogender Dunst, der sich auf den Kampfroboter stürzte und diesen einhüllte.
    »Was war das?«, ächzten Ollowa und Veriaso fast gleichzeitig.
    »Pazuzu ist ein Dschinn«, erklärte Toufec bedeutungsschwer, und als der kleine Terraner ihn trotzdem ungläubig ansah, fügte er hinzu: »Ein Nanogent – eine Ansammlung winzigster intelligenter Maschinen.«
     
    *
     
    Aus der kalten, vom schneidenden Wind gepeitschten Düsternis des späten Nachmittags führte der Schacht hinab nach Sub-Terrania. Ein halbes Dutzend dieser großen Antigravschächte war jeweils zu einer Hauptverkehrsader gebündelt, und es gab etliche solcher »Bündel«, weit verteilt über die 855 Quadratkilometer von Sirius River City.
    An der Oberfläche herrschte wenig Betrieb. Wer es sich erlauben konnte, war der beißenden Kälte ausgewichen und hatte sich in den warmen Untergrund zurückgezogen, zumal in der Weite unter der Erde das Vergessen leichter fiel – für wenige Stunden, Tage oder Wochen.
    Vergessen ... Gemeint war eher Verdrängen, die Flucht nach vorn. Flucht vor der Anomalie ... vor Sayporanern und Fagesy in ihren Rüstgeleiten, vor einem ungnädigen Schicksal und nicht zuletzt vor sich selbst. Reginald Bull wusste, dass in einigen Bereichen Sub-Terranias Bildwände, Holoprojektoren und sogar Akustikfelder blockiert worden waren, um den Schein der heilen Welt aufrechtzuerhalten.
    Die Wahrheit ließ sich indes nie ganz abschalten, sie sickerte durch Spalten und Ritzen und lauerte den Ignoranten hinter jeder Ecke auf.
    Wer sich dagegen sträubt, macht es für sich eher schlimmer, ging es Bull durch den Sinn.
    Die ersten Zwischenetagen unter Sirius River City glitten vorüber, ein weiter Verteilerstern, an den Sportstätten und Höhlenparks anschlossen.
    Kurzzeitig belebte sich der Schacht. Aus der Tiefe schwebten Dutzende Personen herauf. Eine Frau starrte Bull unverwandt an und machte ihre Begleiter heftig gestikulierend auf ihn aufmerksam.
    Doch schnell glitten sie aneinander vorbei, und nur ein paar Satzfetzen schwangen nach. Die Leute waren sich nicht sicher gewesen, ob sie tatsächlich den Residenten gesehen hatten, aber sie lästerten über den heruntergekommenen Roboter und den mächtigen Koffer.
    Stainless Stan wirkte in der Tat, als habe ihn jemand auf einem Schrottplatz unter Tonnen Stahl hervorgezogen und dürftig zusammengeflickt. Dabei hatten Toufecs Nanogenten nur wenige Minuten für die Veränderungen gebraucht.
    Die Technologie mutete in ihrer Perfektion wie Zauberei an. Zumal sich menschlichen Sinnen nicht offenbarte, was im Einzelnen geschah. Pazuzu, der Dschinn, war ein Schwarm aus intelligenten Nanomaschinen.
    Millionen und Abermillionen solcher Schwärme konnten jede Welt in ein Paradies verwandeln – oder in die Hölle.
    Wenngleich nichts im Handumdrehen ging. Was die Nanogenten taten, basierte auf den Naturgesetzen, auf technischen, chemischen und physikalischen Vorgängen und Prozessen; sie führten im molekularen Bereich aus, was gewaltige Fabrikkomplexe im Großen produzierten – nur taten sie es um ein Vielfaches effektiver.
    Stainless Stan hatten die Nanogenten äußerlich in ein Wrack verwandelt. Sie hatten das Ynkonit seiner Hülle aufgelöst, verändert, hatten Rost entstehen lassen, und nun wirkten einige Bereiche der Kegelhülle geradezu zerfressen.
    Bullys Grinsen, als Ollowa ungläubig über den Rost getastet und anschließend mühsam versucht hatte, die an seinen Fingern klebenden rotbraunen Partikel abzuwischen, war neuer Nachdenklichkeit gewichen. Die Liga hatte den weiten Bereich der Nanotechnik keineswegs vernachlässigt, doch hielt terranische Nanotechnik keinem ernsthaften Vergleich mit dem stand, was Pazuzu ausmachte. Intelligente molekulare

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