PR 2678 – Das Windspiel der Oraccameo
einer persönlichen Krise.
Interessant. Damit hatte Fogga nicht gerechnet.
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Tairmino, meist im Fokus höherenergetischer Stürme, die in diesem Teil Chalkadas besonders intensiv wüteten, wurde derzeit unter erschwerten Bedingungen umgegraben, Schicht für Schicht. Die Ingenieure im Auftrag der Oraccameo waren auf der Suche nach hyperenergetisch geladenen Kristallen, die für die Raumschifffahrt dringend benötigt wurden.
Auf einen Kubikkilometer Abraum, der mithilfe von gewaltigen Schwebemaschinen und Antigravprojektoren aus der Planetenhülle gerissen wurde, kam ein etwa fingerlanger Splitter, der genutzt werden konnte.
Die Ausbeute war längst nicht mehr so gut wie vor einigen Jahren, als sich viele tausend Kolonisten auf der Suche nach lukrativer Arbeit dort angesiedelt hatten. Diejenigen, die es sich hatten leisten können, waren längst weitergezogen, um woanders ihre Dienste anzubieten.
Alle anderen waren zurückgeblieben: die zu Alten und die zu Jungen, die Schwachen, die Dummen. Jene, die die Infrastruktur für die Arbeiter errichtet und darauf gehofft hatten, dass der Boom länger anhalten würde. Enttäuschte Frauen und Männer, die auf der Suche nach Glück nicht fündig geworden waren ...
Tairmino verlor nicht nur jeden Tag an Substanz. Es schien, als würden auch die Bewohner mit jedem Sonnenuntergang weniger werden, als würden sie versickern und die Erinnerungen an sie vergehen.
Es lebten nicht mehr als 300.000 Wesen hier. Kaum ein Oraccameo hatte Fuß gefasst. Die meisten Bewohner stammten von primitiven Welten und lebten nach noch primitiveren Regeln und Ansichten. Manche von ihnen hingen gar dem Gedanken demokratischer Reglementierungen nach ...
Durfte man dieses Dahinvegetieren denn »leben« nennen? Sie waren wie Gespenster, flüchtig und kaum wahrnehmbar. Viele von ihnen hatten die Hoffnung auf ein besseres Leben längst aufgegeben. Sie warteten bloß noch darauf, dass sie von ihrem Schicksal erlöst und sie irgendwo vergraben oder zerstrahlt wurden.
Was hätte ein begnadeter Soziallyriker wie Sanfil Agurunthur aus diesen Motiven und Denkansätzen gemacht, wenn er noch gelebt hätte! Er hätte die Einsamkeit, die Verzweiflung, den Zorn und die Frustration in Worte gegossen, um sie mit seiner sonoren, bedrohlich klingenden Stimme zu unterlegen und sie über Piratensender weiterzuverbreiten, sehr zum Ärger der Oraccameo, die ihn jahrzehntelang verfolgt hatten, ohne seiner habhaft zu werden.
Er hatte sich selbst gestellt, um die Farce seines Gerichtsverfahrens im Geheimen aufzunehmen. Er hatte es bis zum bitteren Ende auf dem Vollzugsblock kommentiert, um in einer letzten Tat die Aufnahmen freizuschalten und sich derart selbst zum Hauptdarsteller dieses bedeutsamsten seiner Werke zu machen.
In einigen Teilen des Reichs der Oraccameo waren Unruhen ausgebrochen, und Tion Youlder hatte sie in seinen jungen Jahren nur mühsam unter Kontrolle gebracht.
Die Nennung des Namens Sanfil Agurunthur war verboten worden. Bei Zuwiderhandeln drohten nach wie vor drakonische Strafen. Doch es existierten immer noch mehrere hunderttausend Kopien dieses letzten Hörbeispiels, und Fogga besaß eine davon.
Liebend gern hätte er sie sich in diesem Moment angehört. Die Worte des Lyrikers waren aufrüttelnd, ergreifend, wütend und von höchster Präzision in der Beobachtung, und sie hätten genauso auf diese verunstaltete Welt und deren Bewohner gemünzt sein können.
Tion Youlder trieb in seiner Hochsicherheitstonne durch den Raum, von mehrfach gestaffelten Schutzschirmen umgeben. Die ZACKENGUT konnte keinesfalls auf die Lebenssphäre des Obersten zugreifen. Mehr als ein Dutzend schwer bewaffneter Sternenraumer sicherte die Umgebung. Drei von ihnen, so munkelte man, wurden von den eigens für diese Zwecke gezüchteten Zasa gelenkt, diesen ungemein hässlichen und stinkenden Viechern, deren Intelligenz von den Oraccameo künstlich erhöht worden war.
Der Oberste Herr meldete sich über Bildfunk zu Wort: »Das ist unser Testobjekt«, sagte er und deutete mit einer vagen Handbewegung in Richtung der Welt Tairmino, die über ihm hing. »Sechs Jahre sind seit der Entwicklung eines Kollektor-Prototypen vergangen, und heute dürft ihr der ersten großräumigen Nutzung des Geräts beiwohnen.«
Er schlug die Kapuze zurück und entblößte ein Gesicht, das sich allmählich mit den typischen rostroten Alterswarzen seines Volks überzog. »Die Techniker sind zuversichtlich, dass heute alles
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