PR 2698 – Die Nekrophore
jedermann freiwillig und gern sein Leben gibt ... «
»Und das erwartest du jetzt auch von mir?«
Sie schüttelte den Kopf, und ihre langen Haare wehten mit Verzögerung durch den kleinen Raum. »Es fiel den Kosmokraten nie schwer, Völker zu manipulieren. Und einzelne Wesen. Aber diesmal wurdest du nicht manipuliert. Nicht von den Kosmokraten und nicht von mir. Nein, ich habe es nicht erwartet, und ich habe auch nicht damit gerechnet.«
Er schwieg. Dachte nach.
»Du hast viel gesagt, aber meine Frage nicht beantwortet.«
»Hast du wirklich geglaubt, ich würde sie beantworten? Ich habe dir einmal mangelnde Reife unterstellt ...«
Saedelaere wartete, aber sie führte den Satz nicht zu Ende.
»Nein«, sagte er schließlich. »Nein, ich habe es nicht angenommen.«
»Wir alle tragen unsere Masken«, sagte Samburi Yura. »Nur kann man sie meist nicht so deutlich sehen wie bei dir.«
Auch das hatte sie schon einmal gesagt, während jenes Gesprächs auf dem Planeten Ch'anrangun, wenn er sich nicht irrte.
»Lass mir meine Maske«, fügte sie leise hinzu. »Reiß sie mir nicht vom Gesicht.«
Er kniff die Augen zusammen, musterte sie durch die Öffnungen in seiner Maske. »Also gut.« Er richtete sich zu seiner vollen Länge auf. »Gehen wir.«
»Wohin?«
Saedelaere setzte sich in Bewegung. »In die Medostation. Dort kannst du meinen Zellaktivatorchip entfernen. Falls das überhaupt möglich ist.« Er lachte heiser auf. »Ich trage ihn nicht mehr als Ei an meiner Brust, wie du vielleicht weißt, und die neuen Chips gelten als nicht mehr übertragbar.«
Im Gegensatz zu den alten Aktivatoren hatten die Chips, die ES ihnen am 21. Mai 1174 NGZ verliehen hatte, nur eine Größe von rund zwei Quadratzentimetern und wurden unterhalb des linken Schlüsselbeins eingepflanzt.
»Mir ist es möglich«, antwortete Samburi Yura. »Und eine Medostation brauche ich auch nicht. Bist du dir wirklich sicher?«
»Wie kann man sich dabei völlig sicher sein? Aber ja.« Saedelaere setzte sich wieder und schloss die Augen. »Ja. Ich bin mir sicher. Werden die anderen die Spiralgalaxis sofort sehen, oder bleibt mir noch etwas Zeit?« Er spielte darauf an, dass es bei dem Tod eines Aktivatorträgers zur Erscheinung einer Spiralgalaxis kam.
»Dir bleibt noch Zeit. Zweiundsechzig Stunden. Daran hat sich nichts geändert. Obwohl ich nicht weiß, ob es anders nicht besser wäre.«
»Nein«, sagte Saedelaere. »Ich möchte mich noch verabschieden. Zumindest das bin ich ihnen schuldig. Perry und Gucky und Mondra ... und Eroin ...«
Er spürte eine Berührung. Samburi Yura hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt. Die Augen hielt er weiterhin geschlossen.
Plötzlich wollte er aufspringen, davonlaufen, fliehen, mit aller Kraft. Doch er konnte sich nicht von der Stelle rühren, wurde von einer merkwürdigen Lähmung erfasst.
Ich habe meine Entscheidung getroffen, dachte er. Hat der Zellaktivator sie akzeptiert? Hilft er mir nun, sie zu verwirklichen? Oder ist es Samburi Yura, die mich mit ihrer bloßen Berührung festhält, damit ich es mir nicht in letzter Sekunde anders überlege?
Denn er war drauf und dran, es sich anders zu überlegen.
Ihm wurde schwindlig. Er versuchte, die Augen nun doch zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. Er war wie benommen. Vage trudelten Bilder durch sein Bewusstsein. Für Sekundenbruchteile glaubte er, die Kunstwelt Wanderer zu sehen, dann eine Insel, über der riesige Schmetterlinge mit Spiralzeichnungen auf den Flügeln gaukelten, und dann war ...
Dann war da ... für einen kurzen, schrecklichen Augenblick nichts mehr, gar nichts.
Nur noch Dunkelheit.
Er wollte schreien, konnte es aber nicht.
War er wirklich so schwach? Bereute er seine Entscheidung schon, bevor sie überhaupt vollzogen war?
Die Dunkelheit hob sich von ihm. Er glaubte nun in so dichtem Nebel zu stehen, dass er die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Aber er hatte die Augen doch geschlossen, oder?
Er fühlte, dass der Zellaktivator seine Haut durchdrang, als existiere weder Fleisch noch Haut, noch Kleidung oder sonst ein Widerstand. Er schwebte in seinem Schlüsselbein empor, real und doch nicht real, gegenständlich und gleichzeitig auch nicht.
Und er fühlte, wie sich in seinem Körper etwas veränderte. Bislang war da ein kraftvolles Pulsieren gewesen, ein belebender Strom, der ihn mit vitaler Energie aufgeladen hatte. Er hatte sich so daran gewöhnt, dass er es schon längst nicht mehr wahrgenommen hatte.
Doch nun ... nun
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