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PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

Titel: PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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abnehmen, was von Wert war. In gewisser Weise konnte er den Alten sogar verstehen: Was Scharfauge entging, würde den Pachtlingen ohnehin von den Zwischenhändlern und Pächtern abgenommen. Nyssgaru wäre ein Idiot gewesen, auf seinen Anteil zu verzichten, nur damit die fetten Südländer sich ihn in die Taschen stopften.
    Nyssgaru befahl den Weitermarsch. Die Kinder rafften ihre Sachen zu-sammen. Takegath blieb regungslos sitzen, sein Bündel bestand lediglich aus einer Decke, einem Wassersack aus Tierhaut und einigen halb verdorbenen Brotlappen. Seine Familie hatte ihm nichts geschenkt - und selbst wenn sie es versucht hätte, hätte er abgelehnt. Er hatte sein Messer, jeder weitere Gegenstand hätte ihn nur angreifbarer gemacht.
    Er beobachtete, wie Nyssgaru ein Kästchen aus den Taschen seines Mantels zog und angestrengt darauf starrte. Hin und wieder hob er den Kopf und ließ den Blick suchend über die Gipfel streichen, die sich unmittelbar vor den Pachtlingen auftürmten. Sie wirkten unüberwindlich, eine Einöde, die in ihrer Lebensfeindlichkeit selbst die Schluchten, in denen die Kinder aufgewachsen waren, wie ein Paradies erscheinen ließen.
    Als Nyssgaru merkte, dass Takegath ihn beobachtete, steckte er das Kästchen hastig in den Mantel. »Was glotzt du so?«, rief Scharfauge. »Mach, dass du deine Sachen zusammenpackst. Wir müssen los!«
    Wortlos nahm Takegath sein Bündel auf.
    Der Weg führte einige Treilof lang in sanften Serpentinen zum ersten der vielen Pässe, die sie zu überwinden hatten. Er glich den unregelmäßigen Pfaden, die das Vieh sich ertrampelte, nur dass es hier oben kein Vieh gab. Es musste ein alter Weg sein, aus der Zeit, als der Marsch über die Pässe die einzige Möglichkeit gewesen war, das Massiv zu überqueren.
    Der Pfad endete an einer steilen Felswand. Nyssgaru entfernte sich einige Schritte von der Gruppe, um sich zu entleeren, aber Takegath war sicher, dass er es nur vorgab. Oder dass Scharfauge, sollte er tatsächlich seine Därme leeren, das kleine Kästchen hervorzog.
    Es zeigte ihm den Weg.
    Nyssgaru kehrte zur Gruppe zurück und befahl barsch, den Marsch ein Geröllfeld hinauf fortzusetzen. »Und geht nebeneinander!« rief er. »Ich will keinen von euch Hübschen vorzeitig verlieren!«
    Die nächste Zeit über waren Takegaths Gedanken an das Kästchen und seine Zukunft vergessen. Das Geröll bestand aus eigroßen Steinen, die unter Belastung nachgaben. Jeden Schritt, den man machte, schien man auf der Stelle wieder herunterzurutschen. Die scharfen Kanten der Steine bohrten sich schon nach kurzer Zeit durch die Hornhaut auf den Fersen der Kinder. Scharfauge war der Einzige, der Schuhe trug, einfache Sandalen mit Sohlen aus einem alten Reifen, die er auf der Südseite erworben hatte.
    Schließlich ließen die Pachtlinge das Geröllfeld hinter sich und erreichten den Pass. Die meisten Kinder waren zu müde, um an irgendetwas anderes zu denken, als ihre Decken auszubreiten und endlich zu schlafen, aber Takegath stand einen Moment lang da und sog das Panorama der Gipfel in sich auf. Er würde sie überwinden. Die Berge, die dünne Luft, die scharfen Felskanten und den Hunger ebenso wie Scharfauge und die fetten, arroganten Südländer. Er würde es ihnen zeigen.
    Nyssgaru schlief als Erster ein. Scharfauge musste keine Angst vor den Pachtlingen haben. Ganz gleich, wie sehr er sie quälte, sie wussten, dass nur er sie über das Massiv führen konnte.
    Die beiden Brüder breiteten ihre Decken auf einem Felsvorsprung einige Schritte entfernt aus. Inahin hätte lieber die Geborgenheit der Gruppe gesucht, aber Takegath wollte es so - und Inahin hatte die Erfahrung gelehrt, dass es keinen Sinn hatte, sich seinem jüngeren Bruder in den Weg zu stellen.
    Takegath blieb aufrecht sitzen, während Inahin in einen unruhigen Schlaf fiel. Unablässig warf der Bruder sich hin und her. Takegath hockte noch immer auf seiner Decke und starrte in den sternenklaren Himmel, als Inahin später in der Nacht erwachte, geplagt von einem schlechten Traum.
    »Bruder«, flüsterte Inahin. »Was tust du da? Du musst schlafen. Wenn Scharfauge bemerkt, dass du wach bist, wird er dich .«
    »Scharfauge!« Takegaths Ohren flatterten verächtlich. »Scharfauge ist ein Trottel. Ich habe keine Angst vor ihm.« Sein Blick, der einen Augenblick lang auf dem Bruder geruht hatte, wandte sich wieder dem Himmel zu. Takegath sehnte sich nach den Sternen, fast, als glaube er, dass dort oben eine bessere Welt auf

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