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PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

Titel: PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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die unterwürfige Tour, den Kopf gesenkt, oder auf die freche, um gleich von Anfang an den richtigen Ton zu setzen, träumten davon, vielleicht als Knecht dauerhaft auf einem Gut bleiben zu dürfen.
    Takegath nahm Inahin an der Hand und zog ihn weg vom Lagerplatz. Er ging so lange, bis nicht einmal mehr ein Flüstern zu ihm und seinem Bruder herüberdrang. Dann rollte er die Decke aus und starrte trotzig in den Himmel. Er spürte, dass die Entscheidung näher rückte, dass er etwas tun musste, wollte er sein Leben nicht als Pachtling verbringen. Aber was nur?
    Unentwegt starrte der Junge in den Himmel, als läge dort die Antwort.
    Dann kam der Schneesturm. Zuerst war er ein dunkler Schatten, der sich über die Sternbilder im Osten legte. Takegath hatte noch nicht verstanden, was sich vor seinen Augen abspielte, als der Sturm schon heran war. Eine Bö erfasste die beiden Jungen, bohrte Schneeflocken wie sengende Nadelspitzen in ihre Haut.
    Inahin, der bereits eingeschlafen war, ruckte hoch. »Takegath, was ist los?«, rief er.
    Takegath antwortete nicht. Mit einer Hand krallte er sich an einen Felsblock, mit der anderen hielt er Inahin fest. Er hatte so gut wie keine Sicht mehr, spürte das Handgelenk seines Bruder, konnte es aber nicht sehen.
    Er zwang sich zur Ruhe. Da war eine kleine Höhle auf dem Weg vom Lagerplatz gewesen. Er hatte kurz erwogen, ihr Lager darin aufzuschlagen, sich aber dagegen entschieden, weil er die Sterne hatte sehen wollen. In welcher Richtung war die Höhle? Rechts? Halbrechts?
    Takegath kroch los, zerrte Inahin hinter sich her. Der Bruder schrie auf, aber der fauchende Wind verschluckte, was immer er zu sagen hatte. Takegath tastete sich weiter. Seine Gesichtshaut war taub, er spürte den Schnee nicht mehr. Und langsam kroch die Kälte auch in seine Fingerspitzen. Wenn er nicht bald die Höhle erreichte, würde er seine letzte noch brauchbare Wahrnehmung, den Tastsinn, verlieren.
    Unvermittelt setzte der Wind aus. Takegath öffnete die Augen, die er zum Schutz zugekniffen hatte. Er hatte die Höhle erreicht! Beinahe am Ende seiner Kräfte zog er Inahin nach. Die beiden Brüder drängten sich aneinander, warfen die Decke, an die Inahin sich unablässig geklammert hatte, über die Schultern.
    Nach einiger Zeit - Takegath konnte nicht sagen, wie viel später, nur dass noch immer Nacht war - setzte der Sturm so abrupt aus, wie er begonnen hatte. Bleiches Mondlicht fiel auf die beiden Jungen. Takegath erhob sich schwankend und trat aus der Höhle. Über ihm glitzerten, klarer als zuvor, die Sterne. Der dunkle Schatten des Schneesturms war nach Westen weitergewandert. Neben und unter ihm reflektierten schneebedeckte Bergspitzen das Licht Nianunts, die Konturen der Landschaft wirkten in der gereinigten Luft klar und scharf.
    Inahin trat neben ihn. »Ist . ist es vorbei?«
    Takegath wollte antworten, als am Horizont plötzlich ein Blitz aufleuchtete - ein Blitz, der vom Boden ausging! Einige Herzschläge lang schien sein Licht auf der Stelle zu verharren, sich zur Seite auszubreiten, dann stieg es auf, erst quälend langsam, dann immer schneller, bis es zwischen den Sternen verschwand.
    »Ein ... ein Raketenschiff!« Inahin klopfte ihm aufgeregt auf den Rücken. »Ein Raketenschiff! Dann stimmt, was du gesagt hast. Du .«
    »Ja, natürlich stimmt es«, sagte Takegath. »Was hast du denn gedacht?«
    Takegath spürte, wie sich etwas in seinem Inneren löste. Die dumpfe Angst, die ihn seit vielen Nächten wach gehalten hatte, war verflogen.
    »Komm!«, wandte er sich an seinen Bruder. »Sehen wir nach den anderen.«
    Sie stapften durch den kniehohen Schnee zum Lagerplatz der Gruppe. Die beiden Jungen hätten den Weg in der völlig veränderten Landschaft kaum gefunden, hätte ihnen das Geschrei und Gejammer der Pachtlinge nicht die Richtung gewiesen.
    Ihre Zahl hatte sich vermindert. Takegath zählte, als er zum Lagerplatz herunterstieg, nur noch 16 Jungen. Die verschwundenen drei mussten im Schneegestöber die Orientierung verloren haben. Vielleicht lebten sie schon nicht mehr, waren gestolpert und einem schnellen Tod entgegengestürzt. Hier und da lagen Jungen im Schnee und regten sich nicht mehr. Takegath glaubte nicht, dass sie bereits tot waren, aber sie würden es bald sein, wenn sie sich nicht bewegten, damit warmes Blut durch ihre Glieder strömte.
    Auf dem Marsch im Vorjahr waren sie auf gefrorene Leichen gestoßen. Die Jungen hatten auf den ersten Blick wie Schlafende gewirkt, beinahe

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