PR NEO 0042 – Welt aus Seide
arkonidische Pluralform, die in der Sprache Trebolas zwar keine Entsprechung kannte, den Trebolanern bei solchen Anlässen aber sehr wichtig war.
»Vid-Aarm-Aru nimmt den Dank des Fürsorgers an«, ergriff der Trebolaner unmittelbar zu Vidaarms Rechten das Wort. Im Gegensatz zu Quetain Oktor war es den Netzfürsten erlaubt, ihren Herrscher in seiner Gegenwart beim Namen zu nennen, solange sie die Langform gebrauchten. Sein Gewand war purpurfarben, und seine Gliedmaßen und auch seine Augen waren etwas dunkler als die der übrigen Trebolaner. Die zuckenden Kieferklauen schienen die arkonidischen Worte regelrecht herauszupressen, mit mäßigem Erfolg. Es klang, als versuchte man, mit kleinen, brüchigen Stöckchen eine Symphonie zu spielen.
»Das ist Ril-Omh-Er«, flüsterte Kaprisi. »Du hast ihn bereits getroffen. Er ist Netzfürst des dritten Verbunds, zu dem auch die Hauptstadt gehört, und einer der obersten Gelehrten Vidaarms.«
Quetain Oktor nickte unmerklich. Nicht viele Trebolaner waren enthusiastisch genug, überhaupt die Sprache des Imperiums zu erlernen, genauso wenig, wie er sich je die Mühe gemacht hatte, die korrekten Bezeichnungen der komplexen sozio-politischen Einheiten Trebolas zu gebrauchen. Da die Trebolaner aber eine starke abergläubische Abneigung gegen den Einsatz arkonidischer Technik in ihren Heiligtümern und Machtzentren empfanden, hatte er um des lieben Friedens willen schon zu früheren Gelegenheiten auf den Gebrauch eines Translators verzichtet und dafür mit den Diensten eines echten Dolmetschers vorliebgenommen.
Er fragte sich, ob die Trebolaner wussten, dass Kaprisi in Wahrheit eine Maschine war. Für jeden Arkoniden wären die synthetische Haut und die nur grob modellierten Gesichtszüge schon von Weitem offensichtlich gewesen. Irgendetwas aber sagte ihm, dass die Trebolaner selbst eine Strohpuppe in Uniform noch für einen Arkoniden halten würden. Wahrscheinlich hielten sie Kaprisi für seine Adjutantin – was sie gewissermaßen ja auch war. Manchmal hegte er die irrationale Befürchtung, dass man sie für seine Partnerin hielt.
»Was kann Vid-Aarm-Aru für den Fürsorger tun?«
»Ihr wisst genau, was mein Anliegen ist«, antwortete Oktor ungeduldig. Er warf einen kurzen Blick zu Kaprisi, doch sie hielt den Blick starr geradeaus gerichtet und warf nichts ein. »Der arkonidische Regent wünscht eine Beschleunigung beim vereinbarten Technologietransfer. Das Memo dazu sollte seit einer Woche vorliegen.«
Ril-Omh-Er und ein weiterer Netzfürst in einer buttergelben Robe zu Vidaarms Linken reckten die Beine, steckten die Köpfe mit ihrem Herrscher zusammen und berieten sich leise in ihrer klackenden, brüchigen Sprache. Sie schienen ihr Getuschel nicht als unhöflich zu empfinden. Eine Anzeige im Sockel des Throns begann munter zu blinken.
»Der Fürsorger wünscht Zugang zu unseren Fertigungsanlagen«, stellte Ril-Omh-Er dann mit Blick auf das Blinken fest. »Er interessiert sich für die Art von verstärkter Festseide, die ihr Arkoniden als ›Webstahl‹ bezeichnet. Weiterhin für die adaptiven und absorbierenden Eigenschaften von Tarnseide.«
»Das wäre ein Anfang«, stimmte Quetain Oktor zu. Entweder der zweite Trebolaner hat ein besseres Gedächtnis als der erste, oder das ganze Getuschel ist nur Schau, und sie haben gerade den Wortlaut meiner Anfrage von letzter Woche aufgerufen.
»Ein Anfang?«, wiederholte Ril-Omh-Er und hob seine Stimme zu einem weinerlichen Schaben. »Es wäre das Ende unserer Souveränität. Was schützt das Fürstentum vor dem Griff fremder Mächte, wenn alle Geheimnisse gelüftet, alle Schätze gehoben sind?«
»Muss ich den Rat der Acht wirklich daran erinnern, dass Trebola Teil des Großen Imperiums ist?«, rief Quetain Oktor. »Und zwar nicht erst seit gestern?« Entnervt warf er die Hände hoch. Die Netzfürsten fuhren zusammen, und die Waffen der Garde zuckten nach vorn. Quetain Oktor spürte den Schweiß in seinem Nacken ausbrechen. Er ignorierte den strafenden Blick, den Kaprisi ihm zuwarf, gab sich aber Mühe, wieder möglichst ruhig und gelassen zu wirken.
»Glänzender!«, fuhr er fort. »Edle Fürsten. Selbstverständlich wird das Große Imperium niemals zulassen, dass dem Fürstentum Unheil widerfährt. Der Regent persönlich steht für den Schutz seiner Vasallen ein, auch den Euren, seit dem Tag, da Trebola dem Imperium die Treue gelobt hat. So wurde es beschlossen, und so wird es geschehen. Fragen der Souveränität stellen
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