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PR NEO 0042 – Welt aus Seide

PR NEO 0042 – Welt aus Seide

Titel: PR NEO 0042 – Welt aus Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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gemäß am liebsten bei Nacht, und die Diskussionen mit ihnen ermüdeten Oktor. So hatte er sich daran gewöhnt, dass die Stadt jedes Mal ein wenig anders aussah, wenn er morgens aus seinem Fenster schaute. Und er betrat sie nur noch, wenn es sich nicht vermeiden ließ.
    Lange hatte es so ausgesehen, als hätte das Imperium seinen offiziellen Gesandten am Hofe des Vidaarm-Fürstentums vergessen. Obwohl es dem Fürsorger, wie Quetain Oktors Position dem Protokoll gemäß hieß, missfiel, so hatte er sich doch damit abgefunden.
    Doch nun war das Imperium in Bewegung gekommen.
    Es hatte sich seiner erinnert.
    Und der Fürsorger hatte seinen Turm verlassen.
    Zwei Trebolaner versperrten ihm den Weg, und Dutzende weitere hatten sich auf den Steigwegen beiderseits des Tors platziert.
    »Lasst mich durch!«, sagte Quetain Oktor. Doch die trebolanischen Wachen, deren zerbrechliche Körper in groteske Berge von Rüstseide gekleidet waren, saßen nur da und glotzten ihn mit ihren kalten smaragdgrünen Primäraugen an. Er glaubte sich vage daran zu erinnern, dass es den Hofwachen verboten war, sich mit Passanten zu unterhalten – aber dass sie ihn, ihren Fürsorger, ignorierten, stellte eine schwere Beleidigung dar. Wie viele schwarzhäutige Arkoniden konnte es auf Trebola schon geben?
    »Wisst ihr nicht, wer ich bin?«
    Keine Reaktion. Offenbar kannten sie ihn wirklich nicht. Er hätte vielleicht häufiger Präsenz zeigen sollen.
    »Die Grußformel«, flüsterte Kaprisi hinter ihm.
    »Ich weiß«, erwiderte er ärgerlich. Dann sagte er, an die Wachen gewandt: »Der Günstling der Goldenen gewährt dem Fürsorger die Gnade einer Audienz. Möge sein Glanz eure Netze erhellen.«
    Ohne eine Änderung ihrer undeutbaren Mimik glitten die Trebolaner beiseite. Es war eine unheimliche Bewegung, so perfekt wie eine Schleuse, die sich in der Mitte teilte, und nur vom sanften Knacken ihrer Gelenke begleitet, das Quetain Oktor an das leise Rascheln dürrer Zweige erinnerte.
    Quetain Oktor schüttelte den Kopf, strich seinen Umhang glatt und rauschte erhobenen Hauptes zwischen ihnen hindurch, Kaprisi im Schlepptau.
    »Es hat eine ganze Woche gebraucht, diesen Termin zu bekommen«, murmelte er. »Ist es da wirklich nötig, sich seinen Weg von einem Lakai zum nächsten zu erschmeicheln? Wir sollten diese Überheblichkeit nicht noch unterstützen.«
    »Es ist meine Aufgabe, dich in deinem Amt zu unterstützen«, erinnerte ihn Kaprisi. »So, wie es Arkoniden deines Standes gebührt. Ein Mann in deiner Position darf eine kleine Entscheidungshilfe erwarten.«
    Quetain seufzte. »Andere Arkoniden haben einen Extrasinn. Ich habe nur dich.«
    Sie überquerten den Hof. Mehrere Steigwege führten von seinem Rand bis zu den Türmen in seiner Mitte, wie pastellfarbene Seidenbänder um einen Mast gespannt. Das zweiflüglige Palasttor schwang auf, als er näher trat, und vier Trebolaner verließen ihre Wachnester in der schimmernden Mauer und kletterten zu ihm hinab, um ihn in Empfang zu nehmen. Im Gegensatz zu den Wachen vor dem Tor trugen sie dunkle Gewänder über ihren trutz-gewebten Rüstungen, dazu kunstvolle Stangenwaffen, für deren molekularverstärkte Klingen nichts außer vielleicht einem arkonidischen Kampfanzug ein ernst zu nehmendes Hindernis darstellte.
    Die Eskorte nahm sie in die Mitte und geleitete Quetain Oktor und Kaprisi in den Audienzsaal. Auf ihrem Weg begegneten ihnen zahlreiche weitere Wachen und Diener. Oktor kam nicht umhin, zu registrieren, dass sie keiner erkenntlichen Aufgabe nachgingen, außer vielleicht, ihm ihre schiere Zahlenstärke zu demonstrieren. Dann schwang das letzte Tor vor ihm auf.
    Der große Saal im Herzen des Palasts erinnerte den Fürsorger an ein Ei, doch ein Ei von gigantischen Ausmaßen. In seiner Mitte, unter einer beinahe hundert Meter hohen Decke, erhob sich eine schlanke, pilzförmige Säule, auf der Vidaarm, der Erzfürst und Kulturbringer des nach ihm benannten Fürstenturms, residierte, umgeben vom Rat seiner acht Netzfürsten. Zahlreiche Frei- und Steigwege verbanden die zentrale Säule mit Nischen und Balkonen in unterschiedlicher Höhe an der Innenwand des Eis, von wo der versammelte Hofstaat zu ihnen herabblickte.
    Oktor erschauderte. Er kam sich vor wie im Inneren eines gigantischen Kokons. Alle Farben im Audienzsaal schillerten in denselben hellen Tönen von Perlmutt, Elfenbein und Weiß. Selbst der Boden der schlanken, leicht gekrümmten Brücke, die er und Kaprisi nun betraten, war von einem

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