PR NEO 0043 – Das Ende der Schläfer
mich, vom Zeitpunkt meines ersten Erwachens an … und begreife. Begreife, was mir verschlossen blieb. Für die Zukunft, für das Ringen.
Als ich erwachte, spürte ich, wie die Kälte – die ich bisher nicht gefühlt hatte, so wenig, wie ich irgendetwas hatte fühlen können – nachließ. Die Starre, derer ich mir gar nicht bewusst gewesen war, und die Dunkelheit wichen.
Ich kannte dieses Gefühl nicht. Bisher war es immer so gewesen, dass ich zusammensank und mein Leben im geschützten Kern Kraft sammeln ließ, ehe es wieder hervorschießen durfte und mein Bewusstsein wiedererweckte. Jedenfalls glaubte ich mich daran zu erinnern, wenngleich nur schwach. Ich kam mir desorientiert vor. An welchen universalen Koordinaten befand ich mich? Mein Instinkt ließ mich im Stich!
Es gab Bewegung, das spürte ich deutlich an den Schatten, die auf mich fielen und vorübergingen, und an dem Licht, das mich badete. Der Boden vibrierte, als etwas, das ich nicht begriff, vorüberging. Den Erschütterungen nach war es schwer, um ein Vielfaches schwerer als ich, etwa um das Achtzehnhundertfache. Was für ein Geschöpf konnte so schwer sein? War es ein Fleisch- oder ein Pflanzenfresser?
Ich spürte, wie sich etwas in mir regte, eine wohlbekannte Kraft, die aber zu diffus war, als dass ich sie hätte benennen können. Als wolle ich zupacken und wegschieben, aber das waren Begriffe, die nicht recht passten. Ich spürte zwar, dass ich sie kennen sollte, aber dieses Kennen war so weit entfernt wie zehn andere Leben. Ich lauschte in mich hinein, aber dort erklang kein Ton.
Ich hielt mich in der Erde fest, krallte mich mit allen Wurzeln hinein und spürte die Vibrationen dadurch bloß stärker. Die Schatten zogen vorüber, und das Licht badete mich erneut, schenkte mir Kraft.
Licht.
Ich genoss es, ohne zu wissen, woher es kam. Es war da, und es war genau so, wie ich es am liebsten hatte. Mein ganzer Körper sehnte sich danach, und ich richtete ihn so aus, dass er darin baden konnte. Neue Kraft durchströmte mich.
Leben.
Meine Wurzeln spürten die köstliche Feuchtigkeit der Erde, daher trank ich eilig, ließ das Wasser langsam durch meinen Körper wandern, gelöste Mineralien mit sich führend, und mich stärken.
Ich vermochte nicht zu sagen, weshalb, aber ich war mir sicher, nie zuvor an diesen universalen Koordinaten gewesen zu sein. Ich war fremd. Und doch war das Licht so schmerzlich vertraut und der Boden so herrlich weich und sanft, dass er mich umfing und mir vorgaukelte, dieser Ort sei speziell für mich gemacht.
Aber wieso wusste ich das? Ich erinnerte mich nicht an die Zeit vor dem Erwachen, nicht konkret. Nur, dass es etwas davor geben musste. Damals wusste ich es noch nicht, aber meine Erinnerungen waren jene des kollektiven Gedächtnisses meiner Spezies, nicht meine eigenen. Alles, was ich heute über meine Vergangenheit weiß, besteht aus zusammengetragenen und miteinander kombinierten Informationen, von denen ich nur hoffen kann, dass sie alle richtig sind.
Aber an jenem Tag, da ich erwachte, wusste ich buchstäblich nichts. Ich ahnte lediglich, dass ich nicht dorthin gehörte, und ein Drang, diffus und unheimlich, erwachte in mir: heimzukehren. Ohne zu wissen, wohin.
Es war von der ersten Minute meines Lebens an wie ein Tier, das unterirdisch an meinen Wurzeln fraß. Aber ich bemerkte es zunächst nicht, weil alles andere mir wichtiger, drängender, aufregender erschien.
Die Welt, in der ich mich befand, war neu, ich hatte bisher nur den Schlaf gekannt. Den kalten, dunklen Schlaf.
Ich tastete nach anderen Lebewesen, doch meine Versuche griffen nur Erde und Luft. Dabei waren Lebewesen in der Nähe, mussten in der Nähe sein. Andere wie ich. Oder andere als ich?
Was war ich?
Wer war ich?
Phylior. Das war mein Name.
Aber was bedeutete er? Was machte die Persönlichkeit dieses Phylior aus?
Eine Berührung, die ich nicht hatte kommen spüren, streichelte meine Stempelregion und glitt am hohlen Rückgrat entlang nach unten.
Ich zitterte. Was mich berührte, war warm, aber nicht so warm wie das Licht.
Ein dumpfes Vibrieren erfasste mich wie starker Wind.
Ich grüße dich, sagte eine Stimme in meinen Gedanken, von der ich nur eines wusste: Es war nicht meine.
Das Licht wurde heller, und der Boden schwankte. Ich begriff nicht, was geschah, und krallte mich umso fester in den Grund, auf dem ich stand. Erneut dieses grollende Geräusch.
Du bist verwirrt. Das verstehe ich nur zu gut. Wie solltest du nicht
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