PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds
Khe'Mha'Thir galt all das wenig. Was vergangen war, sollte vergangen bleiben. Was der Nacht gehörte, durfte ihr nicht aus eitlen Gründen wieder entrissen werden.
Der Lotse machte eine Handbewegung. Die Besatzung des Schiffes musste inzwischen den Transitionsschock überwunden haben. Ein blaues Blinken zeigte, dass seine Richthyperfunkverbindung aktiv war. Die Kontrollholos glitten in den Hintergrund, um Platz zu machen für Übertragungen aus dem Schiff.
»Lotse Khe'Rhil ruft das kennungslose Schiff in Sektor 8-7-2.« Wie bei den Lotsen gegenüber von Angehörigen einer Fremdkultur üblich verwendete er seinen Außennamen, Lotse Rhil . Außenstehende waren es nicht wert, den wahren Namen auch nur eines einzigen Khe'Mha'Thir zu erfahren. »Identifizieren Sie sich, oder wir leiten die Zerstörungssequenz ein!«
Er aktivierte die Wiederholungsschleife und lehnte sich zurück. Fünfzig Pulstakte hatte die Besatzung Zeit für eine Antwort, dann würde der erste Warnschuss vor den Bug des Schiffes erfolgen. Dicht genug vielleicht sogar, um ein wenig an der grellroten Farbe zu kratzen.
Er verspürte einen Hauch von Enttäuschung, als die Antwort schon während der zweiten Wiederholung einging.
»Identifizieren Sie sich, oder wir leiten die Zerstörungssequenz ein!«
»Den Teufel werdet ihr tun, uns unsere wertvolle Beute unter dem Hintern wegzuschießen!«
Atlans empörter Tonfall brachte Perry Rhodan zum Lächeln. Der Arkonide hatte sich von den in der Zentrale Anwesenden am schnellsten wieder erholt. Neben den Schock dämpfenden Medikamenten, die sie im Vorfeld von einer medizinischen Drohne injiziert bekommen hatten, lag das vermutlich auch an seinem Zellaktivator. Kaum war die Nachricht eingegangen, hatte er schon die Kontrollen des Hyperfunks aktiviert und seine Antwort gegeben, ganz im Sinne eines um seine Beute besorgten Schatzjägers.
Rhodan war ebenfalls bereits nach kurzer Zeit wieder so weit gewesen, dass er die Umgebung und den eingehenden Funkspruch hatte wahrnehmen können. Er hatte das Gefühl, sich mit jedem Mal besser und schneller von den ziehenden Schmerzen zu erholen, die mit der Entstofflichung und anschließenden Rematerialisierung beim Sprung durch den Hyperraum einhergingen.
Chabalh löste sich aus seinem Haltefeld und trottete zu Rhodan. Mit einem hörbaren »Plumps« setzte er sich neben dessen Sessel und legte den Kopf in seinen Schoß, als suche er wie eine zahme Hauskatze Zuwendung. Noch immer war Rhodan unsicher im Umgang mit dem halb intelligenten Wesen, das wie eine überdimensionale schwarze Raubkatze aussah. Dennoch gab er dem Impuls nach und strich vorsichtig über den vermutlich noch schmerzenden Kopf seines selbst ernannten Leibwächters.
Im dritten der vier Sitze, die sie in der Zentrale installiert hatten, hing die Mehandor Belinkhar und rieb sich blinzelnd die Schläfen und die Kopfhaut unter ihrem kurzen roten Haar. Sie wirkte erschöpft. Die zweite Frau der Gruppe, Ishy Matsu, war bei Iwan Goratschin in der Kabine geblieben. Der Zündermutant hatte sich noch immer nicht ganz von der Überanstrengung auf Siron erholt, und die Asiatin wich keinen Moment mehr als notwendig von seiner Seite.
Der Arkonide Crest hatte die Zentrale schon verlassen, bevor Rhodan zurückgekehrt war. Crest und Atlan hatten sich in den letzten Tagen bei der Führung des Schiffes abgewechselt, was den für beide Seiten angenehmen Nebeneffekt hatte, dass sie sich trotz der Enge des Schiffes kaum sahen.
Die Spannungen zwischen den beiden Arkoniden machten allen das Leben zusätzlich schwer. Rhodan verstand nicht, wie und warum Crests anfängliches Bemühen um die Freundschaft des anderen Zellaktivatorträgers so ins Gegenteil hatte umschlagen können. Andererseits hatte der Wissenschaftler sich nicht nur in dieser Hinsicht verändert, seit er auf Wanderer den Aktivator bekommen hatte.
Rhodans Gedankenfluss wurde vom Aufflackern eines Bildes unterbrochen. Die dreidimensionale Wiedergabe eines humanoiden Kopfes schwebte vor Atlan.
Space-Ninjas!, schoss es Rhodan durch den Kopf. Wieder musste er grinsen. Und ich dachte immer, das wären nur Phantasien durchgeknallter Comiczeichner. So kann man sich irren.
»Identifizieren Sie sich!« Die Stimme des Mannes war blanker Stahl. Er trug eine eng anliegende schwarze Haube, die sich am Hals fortsetzte und nur das Gesicht des Lotsen frei ließ. Seine Miene war ebenso kühl wie seine Worte und der Blick seiner dunklen Augen.
»Wir sind freie Gha'essold,
Weitere Kostenlose Bücher