PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds
seine Finger gleiten. Sein Blick glitt zur Glassitkuppel hinauf, zu der weiten, sternarmen Leere, die sie noch von ihrem Ziel trennte.
»Vielleicht hätten wir mehr Zeit auf die Suche nach ihnen verwenden sollen. Womöglich ...«
»Machen Sie sich die Prioritäten klar, Rhodan!« Der Tonfall, mit dem Atlan ihn unterbrach, erlaubte keinen Widerspruch. »Sergh da Teffron ist auf Rache aus. Der Verlust seines Flaggschiffs und die Fahnenflucht der Naats unter seinem Kommando sind Schläge gegen seine persönliche Ehre, die nicht nur seinen Stolz, sondern auch seine Machtstellung beeinträchtigen. Sollte es ihm oder dem Regenten gelingen, Crests Forschungen im Epetran-Archiv nachzuvollziehen und darüber die Koordinaten der Erde zu finden, sind dreihundertdreißig verschollene Menschen Ihre geringste Sorge. Die Hand des Regenten ist nicht zimperlich, und es sind schon aus nichtigeren Gründen als Anstachelung zum Verrat ganze Planetensysteme von allem Leben befreit worden.«
Belinkhar sog hörbar den Atem ein. Die Mehandor war bislang über die genauen Ziele der Expedition nach Arkon im Dunkeln gelassen worden. Sie hatte nur gewusst, dass es gegen den Regenten ging, und das hatte ihr gereicht, um sich anzuschließen. Rhodan beschloss, später mit ihr zu reden, um sicherzustellen, wie weit sie auch das eigentliche Primärziel ihrer Expedition unterstützen würde.
Er senkte den Kopf. Sowenig es ihm auch gefiel, aber dieses Mal hatte Atlan mit seinem kalten Abwägen der Anzahl von Menschenleben recht.
»Aber wir werden bei jeder sich ergebenden Gelegenheit versuchen, etwas über die Verschollenen herauszufinden«, fügte er lediglich an.
»Wir werden nicht viele Gelegenheiten haben. Aber ich habe nichts dagegen, wenn wir sie nutzen. Ich werde allerdings nicht zulassen, dass dadurch das eigentliche Ziel gefährdet wird.«
Rhodan kratzte an der kleinen Narbe an seinem rechten Nasenflügel. »Ihnen liegt viel daran, die Menschheit vor Ihren eigenen Leuten zu schützen.«
»Ich habe nicht so viele Jahrhunderte unter den Barbaren der Erde verbracht, um am Ende zuzulassen, dass sie wegen der Unerfahrenheit und Blauäugigkeit Einzelner versklavt oder in die Vergessenheit gebombt werden«, stellte Atlan fest. »Wenn nötig, schütze ich sie sogar vor ihren eigenen Helden. Es wäre nicht das erste Mal.«
Ihre Blicke verschränkten sich ineinander, und da war es wieder – dieses Gefühl, dass es etwas gab, was sie über alle Unterschiede hinweg einte. War es die Verbundenheit mit der gesamten Menschheit?
Chabalhs leises Knurren, das Rhodan eher unterbewusst wahrgenommen hatte, ging in einem Warnton der Schiffspositronik unter.
Atlan rief die Anzeigen wieder auf. »Unsere Besucher docken in wenigen Augenblicken an.«
Rhodan atmete durch und sah von einem zum anderen. Noch immer stand der Ernst in alle Gesichter geschrieben. »Hey, wir sind Piraten und Abenteurer auf der Rückkehr von einem erfolgreichen Beutezug«, sagte er. »Etwas mehr Enthusiasmus bitte – oder müssen wir erst ein Fass Rum aufschlagen?«
Belinkhar starrte ihn nur verwirrt an. Atlan entlockten seine Worte jedoch ein kurzes Lächeln. Er wischte die Anzeigen weg und stand auf.
»Klar Schiff an Deck und Anker auf Grund. Gehen wir das Enterkommando begrüßen. Gefeiert wird hinterher, wenn wir dann noch können. Ich denke, einen guten Rum oder etwas Vergleichbares gibt dieses Schiff auch nach der langen Zeit noch her.«
2.
Palor
Leutselig fragen sie: Was willst du werden?
Wie willst du leben, was später mal sein?
All ihre Fragen sind Lügen von Freiheit, denn
Hauptsache ist, es passt bei ihnen rein!
Hélder Skelter, Album Seelendschungel,
Auszug aus dem Song Wachstumsschmerzen
Haus der tausend Fragen
»Sag mir endlich, was ich wissen will!«
»Hey, wenn du's mir aufschreibst, lese ich es dir gerne ab. Ich kann's dir sogar rappen und 'nen Beatbox drunterlegen.«
»Du sollst nicht irgendwas erzählen, sondern meine Fragen wahrheitsgemäß beantworten!«
»Mach ich doch die ganze Zeit, aber weißt du, zu so was gehören zwei – einer, der die Wahrheit erzählt, und einer, der sie endlich glaubt.«
Sergh da Teffrons Hand knallte auf den Metalltisch. Die Respektlosigkeit des Gefangenen wurde langsam unerträglich. Dabei nötigte seine Standhaftigkeit der Hand des Regenten sogar einen gewissen Respekt ab.
Die Unterlippe des Mannes war geschwollen und aufgerissen, die Wange verfärbt. Weitere Ergüsse waren unter der braunen
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