PR Posbi-Krieg 01 - Das gestrandete Imperium
Luftballon zerplatzen konnte.
Die Meldungen, die über den Schiffsinterkom dröhnten, waren bessere Durchhalteparolen, vielfach geschluchzt oder geweint. Die Chance auf ein Überleben war so schlecht, dass niemand mehr einen Solar auf uns gewettet hätte.
Ich schnipselte gerade im aufgefalteten Lungengewebe einer Patientin, konnte sie mangels notwendiger Mittel nicht mehr ausreichend betäuben. Meine letzten beiden einsatzfähigen Assistenten fixierten ihre Arme und Beine, als wir aufsetzten.
Klang, Krach, Schepper. Wir waren unten.
Hatte ich bislang geglaubt, von Chaos umgeben zu sein, wie es schlimmer nicht sein konnte, war dies eine fatale Fehleinschätzung gewesen.
Später erzählte man mir, dass die Hülle unseres Raumers wie eine reife Frucht geplatzt sei. Und dass wir dennoch riesiges Glück gehabt hatten. Einer göttlichen Fügung hatten wir es zu verdanken, dass der Planet, auf dem wir aufschlugen, in dieses schmale ökologische Band gehörte, das ein Überleben für uns gewährleistete.
Daran dachte ich in diesen Augenblicken nicht. Vielmehr fluchte ich wie ein Pferdekutscher und weinte und schrie hysterisch, weil die Frau unter meinen Händen verblutete. Im Moment des Aufpralls war ich mit meinem Skalpell abgerutscht und hatte sie getötet.
Alarmsirenen jaulten ohrenbetäubend. Krächzende Stimmen forderten uns auf, die ALEXIA so rasch wie möglich zu verlassen. Alles nicht Lebensnotwendige sollte an Bord verbleiben.
Ha!
Ich sah mich um. Jesper und Sibel, meine Assistenten, warfen mir entschuldigende Blicke zu und gaben gemeinsam mit mehreren leicht Verletzten Fersengeld, während Flammen aus einem Nebenraum loderten. Eine Explosion fetzte eine 100 Kilogramm schwere Sauerstoffflasche wie ein Spielzeug durch den Raum. Der metallene Körper bohrte sich wenige Meter neben mir in die Kunststoffwandung, warf mehrere Operationstische um und zischte bedrohlich.
»Nur keine Panik!«, sagte ich mir, »nur keine Panik!«
Ich hatte keinen Blick mehr für die Tote vor mir. Über das, was ich getan hatte, ungewollt oder nicht, konnte ich später nachdenken. Jetzt musste ich mich um die Lebenden kümmern.
Männer und Frauen kamen mir auf dem Gang entgegen. Viele standen unter Schock. Wie die Lemminge hetzten sie in eine Richtung, irgendeinem Schiffsoffiziellen hinterher. Ich konnte nur hoffen, dass der Mann wusste, was er tat.
»Nehmt die Verletzten mit!«, bat ich einen der Siedler, aus dessen Armwunde das Blut im Pulstakt sprudelte. »Helft ihnen! Bitte!«
Er stieß, mich grob beiseite, stierte mit glasigen Augen an mir vorbei, marschierte einfach weiter.
Ich stemmte mich gegen den Strom der Flüchtlinge und flehte die Menschen an, mir beizustehen. Niemand nahm mich wahr. Ich war wie ein lästiges Hindernis auf ihrem Weg in die Freiheit.
Tiere.
Ja, zu Tieren waren sie geworden, geleitet von niedersten Instinkten. Alles Menschsein war abgefallen. Nichts zählte mehr.
Bis er kam.
Mein Gott, wie sah der Mann bloß aus! Am ganzen Körper hatte er
Brand- und Ätzwunden. Er humpelte, stank, hatte seinen Körper kaum noch unter Kontrolle. Wie ich später - danach - feststellte, war es nicht nur diese Schicht aus Blut und Schmutz, die ihn hässlich erscheinen ließ. Die flache, eingedrückte Nase, das verzogene Gesicht, der zu kurze Körper auf spinnenlangen Beinen - das passte vorn und hinten nicht zusammen. Dieser Bursche war alles andere als ein Adonis.
Schau mich nicht so angewidert an, als würde ich Jemanden aufgrund seines Aussehens verurteilen. Ich darf das! Schließlich habe ich den Burschen namens Richard Donning ein paar Monate später geheiratet.
Der Kerl lief mir also entgegen. So wie alle anderen eilte er auf den Haupt-Antigravschacht zu, der anscheinend noch aktiv war. Irgendetwas an mir muss ihn gebremst haben. Er nahm mich als Einziger wahr, hörte mein Weinen und Kreischen, stoppte die Menschen hinter sich mit seinen stämmigen Armen. Er konnte kaum reden, nur krächzen. Und dennoch schaffte er das, worum ich seit Minuten kämpfte. Er teilte wahllos ein paar Ohrfeigen aus, schubste ein gutes Dutzend Siedler zum Eingang meiner Abteilung und zwang sie, die Verletzten von ihren Tragen und Betten zu heben, um sie mit sich in Sicherheit zu schleppen. Richard strahlte mit seinen Augen irgendetwas aus. Naivität und Unbekümmertheit, aber auch Furchtlosigkeit und überschwappendes Selbstvertrauen. Ich wusste es in diesem Moment noch nicht, doch allein seine Blicke bewirkten, dass ich mich in
Weitere Kostenlose Bücher