PR TB 002 Der Große Denker Von Gol
Laßt uns in Ruhe! Tut uns
nichts… !“
Und die Gols blieben plötzlich stehen.
Eine Sekunde lang betastete Martins Geist diese neue, unerwartete,
überwältigende Erkenntnis. Eine Sekunde lang vergaß
er sein Gebet; aber als einer der Gols sich von neuem zu bewegen
begann, wußte er, daß er gerade jetzt nicht aufhören
durfte zu denken: „Geht fort… !“
Patty neben ihm war still geworden. Martin dachte allein. Aber
jetzt, nachdem Pattys wilder Schrei den Widerstand der Gols fast
schon gebrochen hatte, war es keine allzu schwere Aufgabe mehr.
Als er zu denken begann, beruhigte sich der Gol wieder, der eben
noch gezuckt hatte. Als er das Gebet zum zweitenmal hersagte, zuckte
er wieder, und diesmal noch ein paar andere mit ihm. Aber als Martin
zum drittenmal bei der Stelle angelangt war: „… tut uns
nichts!“
… da erkannte er, daß es jetzt keine feindliche Bewegung
mehr war. Die Gols glitten rückwärts. Sie erweiterten den
Kreis wieder, und als der erste von ihnen direkt über einer
Öffnung des Daches stand, da ließ er sich plötzlich
fallen und verschwand durch die Decke. Martin drückte das Gefühl
des Triumphs nieder, das in ihm aufsteigen wollte. Er wußte,
daß die Gols sofort wieder zur Stelle sein würden, wenn er
jetzt aufhörte zu denken. Er wartete, bis sie alle vom Dach
verschwunden waren; dann erst fing er an, sich langsam zu bewegen. Er
zog Patty mit sich. Es schien ihm, als hätte sie kaum mehr die
Kraft, selber zu gehen. Er drehte sie an der Schulter zu sich herum
und sah durch ihre Helmscheibe in ein müdes, zerfurchtes
Gesicht, aus dem große, dunkle Augen ihn traurig anblickten.
„Wir müssen, Patty…“, sagte er.
Das war alles, was er sich zu sagen getraute. In der nächsten
Sekunde dachte er wieder an die Gols. Daran, daß sie weggehen,
sie in Ruhe lassen und ihnen nichts tun sollten. Es wurde ihm klar,
daß er diese neun Worte in seinem Leben nie mehr vergessen
würde - und wenn er hunderttausend Jahre alt werden sollte.
Nach ein paar Schritten erreichten sie den Rand des Daches. Martin
schien es, als sei der Himmel plötzlich wieder heller geworden.
Wenigstens heller als in den Sekunden, in denen die Gols ihm am
nächsten gewesen waren. Er wußte auch plötzlich,
woran das lag. Es war nicht wirklich dunkler geworden. Er hatte sich
nur so sehr auf die Gols konzentriert, daß er nichts außer
ihnen, nicht einmal das Licht mehr hatte wahrnehmen können.
Jenseits des Dachrandes lag abgrundtiefe, dunkelrote Dämmerung.
Martin konnte den Grund des Einschnittes nicht sehen. Aber als er
aufblickte, erkannte er etwas anderes: die schwache Kontur des
riesigen Turmes, in dem Patty, er, Mark und Paul einander
wiedergefunden hatten, nachdem sie auf so merkwürdige Weise hier
heruntertransportiert worden waren.
Martin erinnerte sich deutlich, wie er von dem Turm benachbarten
Gebäude aus das Zentrum der Stadt gefunden hatte. Er orientierte
sich nach der schattenhaften Silhouette des Turmes und stieg dann,
Patty hinter sich herziehend, vom Dach auf.
In diesem Augenblick dachte er sein Gebet zum letztenmal. Als er
an Pattys Seite über den tiefen, dunkelroten Straßeneinschnitt
hinwegschwebte, ließ er seinem Triumph zum erstenmal freien
Lauf.
Zwei Menschen hatten die übermächtigen Gedanken eines
fremden Wesens besiegt! Die Gedanken zweier kleiner, armseliger
Terraner waren stärker gewesen als die nochenergetischen
Ausflüsse des höchstentwickelten, mächtigsten Gehirns,
das die Galaxis je gesehen hatte!
Es war kaum zu glauben. Martin spürte die Erschöpfung,
die das vorangegangene Abenteuer verursacht hatte. Aber es war eine
Art glücklicher Müdigkeit, die er empfand, die Müdigkeit
des Siegers nach dem Sieg
In ein paar Minuten würden sie das kleine graue Haus erreicht
haben, und dann war alles überstanden.
Ich liebe Patty, gestand er sich, und vielleicht liebt sie mich
auch. Das könnte der Grund sein, warum unsere Gedanken stark
genug waren, um die Gols zu besiegen.
*
Den großen Denker befiel ungeheure Aufregung, als er spürte,
wie sein drängender Wunsch sich an einer Stelle plötzlich
in Nichts verflüchtigte und an einer anderen fadenscheinig
wurde, so, als wünsche er sich gar nicht in Wirklichkeit, was
seine Gedanken ausdrückten.
Für ihn war es ein äußerst merkwürdiger
Effekt. Er hatte ihn noch nie zuvor erlebt, aber er bezweifelte
nicht, daß er gefährlich war und daß die Fremden
irgend etwas damit zu tun hätten.
Von einem Augenblick zum ändern
Weitere Kostenlose Bücher