Macabros 102: Die Finsterlinge von Krosh
Sie hingen in einem Netz, das nicht auf der Erde entstanden war,
und das Unglaubliches vermochte. Es hinderte sie daran, zu leben
– aber auch zu sterben…
Das Netz kettete sie auf einer Grenze zwischen Wachen und
Träumen. Die Gefangenen waren niemand anders als Carminia Brado,
die reizende Brasilianerin, und Björn Hellmark, der Herr von
Marlos, jenem rätselhaften Eiland zwischen Hawaii und den
Galapagos, das keine Karte der Welt verzeichnete.
Marlos – war unsichtbar. Nicht mal mehr in ihrem
Bewußtsein stieg die Erinnerung an diese paradiesische Welt
auf. Nur eines war geblieben: die Sehnsucht nach Freiheit, Licht und
Leben.
Genau dies verwehrte aber ihr unbarmherziger Gegner. Er
kontrollierte sie vollkommen…
Vollkommen?
Er wußte nichts von dem Augenblick, da Björn Hellmark
in einem verzweifelten Anlauf noch versucht hatte, mit Hilfe seines
Doppelkörpers eine Wende des grausamen Schicksals
herbeizuführen. Dabei war Macabros über Räume und
Zeiten hinweggeschleudert worden und in der fernsten Vergangenheit
der Insel Xantilon angelangt.
In Björn Hellmarks Bewußtsein regte sich etwas.
Erinnerung…
Schwach und fern sah er Bilder und schien zu erkennen, daß
es eine Möglichkeit gab, aus dem Ewigkeits-Gefängnis zu
fliehen. Vorausgesetzt, daß ihm die Zeit dazu blieb und die
Gelegenheit geboten wurde…
Aber dann war wieder alles Grau in Grau, und er meinte zu
träumen.
Doch seine Träume – waren die Wirklichkeit.
*
Sie waren zu dritt.
Bolonophom, der auf einem merkwürdigen Tier ritt und flog,
der Priester mit der hellen Haut und dem dunklen Gewand – und
der Mensch, der nicht aus Fleisch und Blut bestand, sondern aus einer
feinstofflichen Substanz, die sich hier in dieser fernen Zeit
verdichtet hatte. Das war Macabros. Und Hellmarks Psyche
erfüllte ihn.
Macabros war Björn Hellmarks Doppelkörper. Die Tatsache,
daß sein Zweitkörper sich auf Xantilon, der Insel der
Vergangenheit bewegte, wurde dem gefangenen Mann von Marlos in der
tiefsten Tiefe seines Unterbewußtseins in schwachen Umrissen
sichtbar und fühlbar. Er, der durch eine Hinterlist des fast
allmächtigen Dämonenfürsten Molochos in eine schlimme
Falle gegangen war, glaubte zu träumen.
Da war die Landschaft… Düster glühend und scheinbar
endlos. Ferne, kegelförmige Berge, auf denen kein Baum, kein
Strauch wuchs, begrenzten den Horizont.
Da war der Fluß. Er war wie Glas, und sie schritten wortlos
darüber hinweg. Der schwarze, glatte Untergrund war wie eine
Straße, die sich unter ihnen hinwegschlängelte.
Bolonophom, der Mann aus der Wüstenstadt Varone, ging nicht
zu Fuß.
Nach dem Eindringen in den zyklopischen Götzen war er auf
einem jener merkwürdigen Reit- und Flugtiere, die er als
›Llonoll‹ bezeichnete.
Das Tier war dunkel und raubtierhaft wie ein Panther, hatte
weiße Augen mit punktförmigen, schwarzen Pupillen und war
aufgezäumt wie ein Pferd. Das Besondere an einem Llonoll war,
daß er glatte, fleischige Flügel von beachtlicher
Spannweite hatte.
Sein schwerer Körper bewegte sich - mit dem Gewicht des
Reiters belastet - dennoch leicht und beinahe elegant durch die
fremdartig glimmende Luft.
Bolonophom war den beiden »Fußgängern« auf
dem erstarrten Schwarzen Fluß stets einige Längen
voraus.
Er hielt Ausschau nach dem Zug der Gefangenen, die von einem
primitiven Eingeborenenstamm enthauptet und dann von eingeweihten
Priestern kopflos in die Welt im Innern eines rätselhaften
Steingötzen geführt worden waren. Was dort aus ihnen wurde,
wußte niemand.
Hier, im Innern einer Ritualwelt, der alle Anzeichen des
Fremdartigen, Nichtirdischen, Bizarren anhafteten, geschah aber noch
mehr.
Die Frauen aus der Stadt Varone und anderen
Wüstenstädten und -dörfern gehorchten von Zeit zu Zeit
einem geheimnisvollen hypnotischen Ruf. Dann ließen sie alles
liegen und stehen, verließen die Menschen, die zu ihnen
gehörten und die sie liebten, und kamen in die Wildnis zu den
Eingeborenen, die Kannibalen waren.
Doch die Frauen waren nur Mittel zum Zweck, eine geheimnisvolle,
gräßliche Gottheit zu besänftigen. Sie waren als
lebende Opfer auserkoren.
Bolonophom und Macabros hatten die »Opferschalen«
gesehen. Die Priester der Eingeborenen hatten sie ihnen gezeigt.
In flachen Mulden standen die als Opfer auserkorenen Frauen und
warteten auf ihren Tod. Wann er eintrat, wußte niemand. Sie
konnten die Mulden nicht verlassen.
Irgendwann kam der vielarmige Schatten aus der Tiefe
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