PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
wurde. Ich muß wieder eine
bestimmte Rolle spielen, bis zur letzten Konsequenz. Ich glaube zu
wissen, wer ich bin. Unter der Maske, die mich fast unkenntlich
macht. Aber wer sollte mich erkennen? Charsada etwa, die jetzt
Kar-shattar heißt? Die Erkenntnis löst eine weitere Lawine
des Schreckens aus. Ich muß mich zusammenreißen und
handeln! Schon spüre ich die besorgten Blicke meiner drei
Freunde im Nacken. Was kann ich tun?
Die Pferde wurden halb wahnsinnig. Wir kämpften gegen ihren
Willen. Das letzte Licht im Westen schwand ganz plötzlich, die
Dämmerung war voller Staub und Pflanzenresten. Sich virtuos im
Sattel des mächtigen schwarzen Hengstes haltend, der hochstieg,
sich drehte, buckelte und auskeilte, schrie mir Rhai-ghur zu:
„Wir müssen zurück! Der Sturm wird die Karawane
überraschen! Wir haben genug gesehen!"
Ich hob den Arm und schlug den weiten Mantel herunter, der von
meinen Schultern flatterte und sich aufblähte wie ein feuerrotes
Segel.
„Wir gehen zurück! Warum schreit die Löwin?"
Auch ich gab die Zügel frei und riß meinen getigerten
Hengst herum.
„Ich wage es nicht, nachzusehen!" schrie Kar-shattar,
wurde im selben Augenblick vom scheuenden Pferd hochgerissen und
verlor die Kontrolle über das Tier. Ich sah durch den wehenden
Staub nur noch, wie sie sich am Hals festklammerte und aus den
Steigbügeln rutschte. Mit flatterndem Mantel verschwand die
junge Frau im wirbelnden Sandsturm.
„Festhalten! Ich helfe dir, Kar!" heulte Takoshur auf,
setzte die Sporen ein und beugte sich tief über den Hals des
Braunen. Der rasende Hufschlag wurde vom Heulen des Windes
geschluckt. Dann, als wir gerade wieder die Herrschaft über
unsere Tiere gewonnen hatten, hörten wir andere Geräusche.
Die Furcht sprang uns an, als wir erkannten, von wem dieses Geräusch
stammte.
Tappende, schwere Hufe. Heiseres Brüllen und keuchendes
Atmen. Der Wind wehte die scharfen Gerüche von Rindern heran.
Aus der Staubwolke schoben sich die wuchtigen Schädel von
Rennrindem. Sie waren mit leuchtenden Kreisen über den Augen,
gerillten Querlinien und strahlendem Gehörn verunziert.
„Wir werden angegriffen!" schrie Rhai-ghur und riß
sein Kampfbeil aus der Sattelhalterung. Ich duckte mich, als ein
Speer dicht über meine Schulter zischte. Die nach unten
gesenkten Schädel wurden immer zahlreicher. Mit schnellen
Sprüngen und wild wirbelnden Hufen sprangen unsere Pferde auf
die einzige Lücke zu. Sie bestand zwischen den Felsen und dem
offenen Land; hinter uns lag der südliche Hang, über den
die fremden Reiter gekommen waren.
Eine dröhnende Stimme schrie durch das Chaos aus
vielstimmigen Geräuschen:
„Es ist der Karawanenfuhrer! Faßt ihn!"
Ich hing seitlich im Sattel und verlagerte mein Gewicht auf den
rechten Steigbügel. Das leichte Kampfbeil, jeder Waffe aus
Kupfer, Holz oder Bronze überlegen, schnitt durch die Luft. Ich
spaltete einen Schild in zwei Teile. Der Schaft einer Lanze schlug
schwer auf meine Schulter und brach knackend auf dem Lederwams
auseinander. Ein Splitter bohrte sich in meinen Arm. Wie ein Geschoß
warf mein schwarzhaariger Freund sich und sein Tier in die Lücke
zwischen den klappernden Hörnern. Ein Pfeil bohrte sich in den
Schenkel meines Pferdes. Das Tier wieherte schrill auf.
Immer wieder beschrieb mein Beil sausende Kreise. Einer der
hervorragend bewaffneten Nomaden schob sich mit seinem schnellen,
wendigen Ochsen rechts an mich heran. Ich schlug mit äußerster
Kraft zu und spaltete seinen Schädel.
Achtung! Hinter dir! schrie eine eindringliche Stimme in meinem
Kopf. Ich kannte sie.
Ich duckte mich, hob den runden Schild so hoch, wie ich konnte.
Ein mächtiger Schlag traf Schild und Arm. Wieder rannten zwei
auffällig bemalte Reitochsen röhrend auf mein Pferd zu. Das
Tier sprang zur Seite und keilte aus. Krachend barst eines der
Hörner. Heisere Schreie waren hinter dem Nebel aus Sand und
Staub. Ein sterbender Ochse, dem Rhai-ghur den Kopf halb vom Körper
getrennt hatte, wälzte sich auf dem felsigen Boden und schlug im
Todeskampf mit allen vieren.
Sein Reiter kreischte auf, als ihn der schwere Körper
zermalmte.
Ich warf mich im Sattel hin und her und versuchte, meine Gegner
genau zu erkennen und die Lücke zu erspähen, durch die wir
flüchten konnten. Ring um uns verursachten die Angreifer durch
die Überzahl ein Chaos. Schräg vor mir kämpfte
Rhai-ghur gegen zwei der Reiter. Er wehrte sich mit Schild einen
Speer oder den Hieb eines Beiles abzufangen. Sein
Weitere Kostenlose Bücher