PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
zuritten, ertönte vor uns ein gellender Schrei. Es
war unzweifelhaft das Signal unserer Karawane.
„Takoshur! Vorwärts, Freund!" sagte ich und riß
den Bogen vom Rücken. Sofort lag der erste Pfeil auf der Sehne.
Die Pferde galoppierten an. Als hätten wir es ständig
geübt, ritten wir schräg auseinander und die Hänge
aufwärts, die Spur der Nomaden zwischen uns. Wir brauchten uns
nicht zu verständigen; wir handelten und kämpften
selbständig. Nach etwa fünfzig Galoppsprüngen erfaßten
unsere Augen die Situation.
Drei verschiedener Zwischenfälle hatten schnell
hintereinander stattgefimden. Der schwer beladene Wagen, für
langsames Tempo gebaut, war auseinandergebrochen. Im gleichen Moment
hatten Takoshur und sein Begleiter die Gruppe der Nomaden erreicht,
die den Wagen zog. Takoshur griff sofort an und ritt eben einen der
Nomaden aus dem Sattel, schlug ihm mit der langen Keule zwischen die
Schulterblätter und riß sein Pferd augenblicklich herum.
Sein Begleiter stach einen Ochsen ins Hinterteil. Das Tier sprang in
die Höhe und warf den Reiter aus dem Sattel. Takoshur stieß
zu. Die Lanzenspitze schwenkte herum und drang dem Nomaden unterhalb
der Rippen wieder aus dem Körper.
Im selben Augenblick zischten die Pfeile von den Sehnen unserer
großen Bögen. Wir standen in hervorragender Position und
konnten vier oder fünf Schüsse anbringen, ehe wir
bemerkt wurden.
Dann sahen die Nomaden uns, rafften einige Teile der verstreuten
Ladung des Wagens zusammen und flohen, verfolgt von Takoshur und
unseren Pfeilen. Wir hatten nur die Nachhut gestellt.
Rhai-ghur und ich ritten noch kurze Zeit hinter ihnen her,
feuerten einen Weitschuß nach dem anderen ab, aber wir konnten
nur noch einen von ihnen töten.
Wir hielten neben den Trümmern des Wagens an und stiegen ab.
Die Vorderachse war gebrochen, die Räder hatten sich gelöst
und waren aus den Naben gesplittert. Geplatzte Weinkrüge,
aufgerissene Ballen und Teile der übrigen Ladung waren um die
Stelle verstreut. „Verdammte Räuber!" stieß
Takoshur hervor. „Der Wagen ist unbrauchbar!"
Die Trümmer waren ohne Werkzeug nicht zu reparieren. Der
teure Wein versickerte langsam im Boden. Ich suchte zwischen den
einzelnen Bruchstücken verzweifelt nach dem schweren Armband,
das aussah, als sei es aus Leder, Silber und Bronze hergestellt.
„Wir sollten die teuersten Waren heraussuchen und auf die
Pferde laden!" schlug ich vor. „Es gibt wohl keine andere
Möglichkeit."
Ich begann nervös zu werden. Zwischen Holzsplittern,
zerfetzten Bronzestücken, Kupfemägeln und aufgerissenen
Säcken und Lederbeuteln suchte ich weiter. Ich fand nichts als
geplünderte Stücke.
„Ich fange schon einmal damit an!" murmelte enttäuscht
Takoshurs Begleiter und bückte sich. „Wenn einer von euch
mein Schutzarmband findet, das mit dem breiten Dolch darinnen ...",
sagte ich. „Ich brauche es nötiger als Wasser."
Ich fand die schweren Taschen, in denen allerlei Werkzeuge waren,
dann die getarnten Waffen in der schweren Lederhülle.
Schließlich auch die Satteltaschen, in denen die Arzneien
versteckt waren. Ich fand all mein Eigentum, auch den goldenen Becher
- nur das Armband nicht. Es war verloren.
Leise erkundigte sich Rhai-ghur:
„Du wirst der Löwin nicht mehr befehlen können,
Attalan-shar?"
„Nein. Der Anführer hat das Dolchband. Er hat auch die
Macht über Sherengi. Ich werde ihn durchs ganze Land hetzen."
„In der Maske des Karawanenführers?"
„Vielleicht in anderer Maske. Ich werde ihn verfolgen wie
ein Adler der chaburischen Steppen."
Rhai-ghurs Grinsen war bissig, aber es tröstete mich für
den Moment.
„Das ist gut, Attalan!" versicherte er kalt.
„Denn ein Adler ist niemals hilflos. Selbst mit brennenden
Federn fliegt und tötet er noch." Wir packten auf, was die
Tiere tragen konnten. Wir fingen einen der herrenlosen Ochsen und
beluden auch ihn. Dann tranken wir den Wein aus den kostbaren Krügen
und zerschmetterten sie auf Steinen. Takoshur legte Feuer an die
Reste. Noch lange, nachdem wir dieses Tal verlassen hatten, sahen wir
die spiralige Rauchsäule hinter uns. Wir erreichten die Karawane
am Abend des nächsten Tages, nur einen Tagesmarsch von
Esch-nunna entfernt.
Und noch immer wußten Kar-shattar, Rai-ghur und ich nicht,
aus welcher Welt wir stammten und warum wir hier waren.
Ich meine, ihr werdet es bald erfahren! flüsterte die
stechende Stimme unter meiner Schädeldecke.
2.
ESCH-NUNNA, STADT DER WEISSEN WÄLLE: Wir sahen sie
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