PR TB 179 Unsterblichkeit X 20
allen voran, neben
ihm, stolz und vor gewalttätiger Zuneigung fast platzend, kam
seine Tochter näher. Dahinter schlössen die Reihen der
männlichen Than-kher auf, die Gesichter von Schadenfreude
geprägt. Lediglich bei einigen Frauen konnte Bully Anzeichen von
Mitleid entdek-ken. Die meisten Than-kher hatten brennende Fackeln in
den Händen. Sie bildeten einen Halbkreis um Bully, die Braut und
den Brautvater. Der Häuptling sah sich vorsichtig nach Gwen um
und wirkte erst etwas ruhiger, als er das Mädchen bei dreien
seiner Krieger gut und sicher aufgehoben wußte.
„Freunde", begann er seine Ansprache. „Mitbürger,
lieber Bräutigam . . ."
Die Rede nahm ihren Anfang, aber kein Ende. Der Alte sprach und
sprach. Er erzählte vom Alter und dem hohen Rang seiner Familie,
von den heiligen Traditionen, von Moral und vom guten Lebenswandel.
Er ermahnte Bully, sein Weib nicht zu prügeln - was Bully nie
gewagt hätte, aus Angst um das eigene Leben - und empfahl der
Tochter, deren Gesicht von Schminkfett glänzte, ihren geliebten
Gatten niemals alleinzulassen - und eben diese Vorstellung war es,
die Bully Angstschauer bescherte.
Zehn Minuten vergingen, eine Viertelstunde, eine halbe Stunde -
der Alte redete weiter. Es kam Bully vor, als mache er eine Art
Kreuzfahrt durch das Konversationslexikon von Arcomurth. Sein
künftiger Schwiegervater kam von einem Gegenstand auf den
anderen, aber er fand kein Ende. Im Alter, so drohte er Bully an,
werde er zu seinen Kindern ziehen und dort die letzten sorgenfreien
Tage seines Erdendaseins verbringen, eine Vorstellung, die Bully
buchstäblich den Atem verschlug.
Als - wider Erwarten - der Häuptling seine Rede beendete, tat
er es nicht, weil ihm der Redestoff ausgegangen wäre. Im
Gegenteil, er holte gerade zu einem längeren Exkurs über
die Sippe seiner Frau aus, als ein Blitz die Nacht zerriß. Die
Than-kher standen erst wie
festgewurzelt, dann aber kam Leben in sie. Ein Aufschrei gellte
aus über hundert Kehlen, und dann flüchteten die
verängstigten Menschen in alle Himmelsrichtungen. Nur Bully und
Gwen blieben zurück.
Bully wußte sehr bald, was passiert war.
Das Licht hatte seine Quelle dort, wo nach den Erzählungen
des Häuptlings der Tempel der Tausend Tode zu finden war, und
auch über die Art dieser Lichtquelle konnte es keinen Zweifel
geben. Der Feuerball, der Rauchpilz, der in die Höhejagte, von
den Höllengluten am Boden gespenstisch erleuchtet — das
deutete auf eine atomare Explosion hin. Da das Dosimeter an Bullys
linkem Handgelenk, Bestandteil des Kombigeräts, das alle
Raumfahrer üblicherweise trugen, keinerlei Strahlenbelastung
anzeigte, schloß Bully auf eine Kernverschmelzung.
Noch während er diese Überlegungen anstellte, begann
auch Bully zu laufen. Gwen hatte er mit einem harten
Griffherangerissen und auf den Arm genommen. Bully wußte, daß
er um sein Leben rannte. Der Kernpunkt der Explosion war nahe.
Zuerst kam nach der Lichtflut des Blitzes der Luftdruck. Er riß
Bully von den Beinen und wirbelte ihn wie ein welkes Blatt im
Herbststurm durch die Luft. Sich mehrfach überschlagend, kam
Bully auf dem Boden auf; eine Hüttenwand beendete seinen Rutsch.
Gwendolin in seinen Armen wimmerte leise, von Angst und Schrecken
erfüllt.
Dann kam das Wasser.
Wie eine schwarze Wand brach die Flut über den beiden
Menschen zusammen und begrub sie unter sich. Bully spürte, wie
er gegen die Wand des Hauses geworfen wurde, und fast glaubte er das
Brechen seiner Knochen hören zu können. Wieder wurde er
herumgewirbelt, als das Haus unter dem Ansturm der Flut
zusammenbrach. Ein Balken stürzte auf Bully herab und lahmte ihm
die Schulter, als er gerade einmal den Kopfherausstrecken und Luft
schnappen konnte.
Dann ging das Wasser zurück, und Bully mußte alle
Kräfte seines schmerzenden, geschundenen Körpers aufbieten,
um nicht mitgerissen zu werden. Als er endlich festen Boden unter den
Füßen und an den Wangen kühle Abendluft fühlte,
war er dem Zusammenbruch nahe.
„Gwen", keuchte ervöllig erschöpft.
„Kleines!"
Gwen brachte nur ein schwaches Lächeln zuwege. Sie hustete
und spuckte Wasser aus. Nach einigen Minuten konnte sie auch wieder
sprechen.
„Was war das?" fragte sie leise. „Der
Weltuntergang?"
„Noch nicht", kommentierte Bully. „Aber es war
nahe daran."
Er entdeckte einen Schemen auf dem Sand. Irgendein dunkler, großer
Körper lag auf dem dunklen Sand.
Neugierig ging Bully hinüber.
Es war ein Boot. Kein primitiver
Weitere Kostenlose Bücher