PR TB 219 Bote Des Unsterblichen
Abschnitten
müssen wir die Passagiere unterbringen. Das haben wir beim
erstenmal nicht getan.“
„Die Schwerkraftbedingungen beim Passieren der Schwelle sind
völlig unvorhersehbar und lassen sich auch nicht annähernd
abschätzen. Das solltest du wissen.“ Er wandte
sich um und blickte die lange Reihe der Wartenden entlang. „Woher
hast du die dort? Haben sie sich freiwillig gemeldet?“
„Es sind alleinstehende Männer und Frauen“, wich
Qalzor der Frage aus. „Sie haben sich zur Teilnahme an der
Expedition überreden lassen, als sie erfuhren, daß auch
ich mit dabeisein würde.“
Der Humpelnde Tantha sah ihn verblüfft an. „Du auch?
Freilich, an Mut hat es dir nie gefehlt, mein junger Freund, nur an
Verstand.“ Und als Qalzor aufbrausen wollte, winkte er ab.
„Nimm, wen du magst“, sagte er. „Nur diese dort
nicht.“ Er wies auf eine zierliche junge Frau mit großen,
dunklen, von Angst erfüllten Augen.
Es war eine Idee, die der Augenblick gebar - ein verrückter
Gedanke, weiter nichts. Er sah die Angst in den verschüchterten
Augen der jungen Frau und nahm sich vor, sie zu retten. Außerdem
erinnerte sie ihn an Irica. Ja, das mochte der wahre Grund sein.
„Diese nicht?“ fragte Qalzor verwundert. „Warum
sie nicht?“
Tantha schritt die Reihe der Wartenden entlang. Das Herz zog sich
ihm zusammen. Die Angst wohnte in mehr Augen, als er zunächst
wahrgenommen hatte.
Von diesen Männern und Frauen wollte niemand an der
Expedition teilnehmen.
Er trat auf die junge Frau zu und ergriff sie bei der Hand. Ein
Funke wilder, verzweifelter Hoffnung glomm in ihrem Blick. Tantha
führte sie beiseite. „Sag mir rasch deinen Namen“,
flüsterte er ihr zu.
„Nesvedid.“
Gemeinsam mit der jungen Frau trat er vor Qalzor hin. „Nesvedid
kann nicht mehr als alleinstehend gelten, seitdem sie mir die Ehe
versprochen hat.“
Qalzor klappte in ungläubigem Staunen den Mund auf und wieder
zu. „Nesvedid... dir... die Ehe versprochen? Dieses junge
Mädchen... dem alten Mann?“
„Hüte deine Zunge!“ fuhr Tantha ihn an. „Woher
solltest du meine Qualitäten kennen?“
Immer noch völlig verblüfft, wandte Qalzor sich an das
Mädchen. „Ist das... ist das wahr, Nesvedid?“
Entschlossen machte Nesvedid die Geste der Bejahung. „Es ist
wahr“, bestätigte sie.
„Warum hast du nicht davon gesprochen?“
„Ich wollte nicht... für feig gehalten werden“,
sagte sie beschämt.
Der Humpelnde unternahm einen letzten Versuch. „Qalzor, hör
mir zu! Kein einziger von diesen Männern und Frauen will
wirklich mit dir gehen. Du in deinem harten Stolz hast sie dazu
überredet. Du hast sie genötigt, indem du ihnen
klarmachtest, sie seien Feiglinge, wenn sie sich dir nicht
anschlössen. Geh in dich, Qalzor! Du rennst ins Verderben und
ziehst fünfzig Unschuldige mit dir!“
Da trat der junge Vorsteher der Techno-Spürer zwei Schritte
zurück und antwortete mit flammenden Augen: „Bleib mir vom
Leib, du alter Schwächling! Wir setzen unser Leben ein, um die
Freiheit für die Bewohner des Großen Gasthauses zu
gewinnen. Niemand soll
uns daran hindern!“ Und den Wartenden rief er zu: „An
eure Plätze! Wir starten!“
Anderthalb Stunden später hatte der Graue Bote von der
Plattform abgehoben und war in der Schwärze des Alls
verschwunden. Einer der Alten, die noch mit Niefull
zusammengearbeitet hatten, wandte sich hilflos an den Humpelnden
Tantha. „Was sollen wir tun?“ fragte er.
„Wählt euch einen neuen Anführer“, brummte
Tantha.
Es kam, wie er es vorhergesagt hatte. Das Robotschiff kehrte
dreieinhalb Wochen später zurück. An Bord befanden sich
verstümmelte, zerrissene und zerquetschte
Leichen. Nur noch dreizehn Besatzungsmitglieder konnten
identifiziert werden. Qalzor gehörte nicht dazu.
Nach dem der Humpelnde Tantha Nesvedid vor einem grausamen
Schicksal bewahrt hatte, wäre er eigentlich sämtlicher
Verpflichtungen ledig gewesen. Tantha und die junge Frau hatten
jedoch inzwischen Gefallen aneinander gefunden. So kam es, daß
der Humpelnde zum erstenmal in seinem langen Dasein für mehrere
Jahre seßhaft wurde. Er ließ sich mit seiner jungen Frau
am Rand des Bezirks der Blinden nieder, weil er sich dort unten
einigermaßen sicher fühlte. Im Lauf der Jahre gebar
Nesvedid ihm zwei Kinder, was selbst den durch nichts mehr zu
erschütternden Tantha überraschte, da er nicht geglaubt
hatte, Wesen seiner Art und die Nachkommen der Freibeuter seien
genetisch miteinander
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