PR TB 230 Die Träumer Von Naphoora
Stimme. „Sieht
hübsch aus, die Kleine. Genau passend fürs Revier!"
Akhisar wälzte sich herum. Nebelschwaden wälzten sich
vor seinen Augen. Er konnte nichts erkennen, nur
verwaschene, verschwimmende Konturen. Und er hörte das
boshafte Lachen der Büttel und dann einen gellenden Schrei des
Mädchens.
Akhisar stemmte sich hoch. Szenen wie diese sah man in
Visiphonfilmen aus der Vergangenheit, wo es oft Kriege gegeben hatte,
in denen Schreckensbilder dieser Art vorkommen mochten. Aber doch
nicht hier, mitten in der Metropole - in Sichtweite des Palasts, des
AynSyd.
Noch immer schrie das Mädchen, und Akhisar griff in seine
Jacke. Er handelte, ohne sich dessen bewußt zu sein, als er die
Waffe auf die tanzenden Schemen richtete und einfach blindlings
abdrückte.
Als sich sein Blick klärte und er wieder auf die Beine kam,
die Waffe in der rechten Hand, sah er, was er angerichtet hatte -
vier reglose Gestalten, darunter das Mädchen. Ihre Kleidung war
teilweise zerrissen.
Akhisar lehnte sich gegen die Wand. Sein Gesicht brannte. In der
Schulter bohrte der Schmerz des Knüppelhiebs, und in seinem
Schädel war nur noch Ratlosigkeit.
Es waren nicht einmal zwei Stunden vergangen, seit er das Kaufhaus
betreten hatte, und jetzt hatte er drei Büttel
zusammengeschossen, um ein Basuran-Mädchen vor deren
Zudringlichkeiten zu schützen.
Und bald konnten die Kollegen der Büttel auftauchen - das
Lärmen in den Nachbargassen war noch sehr laut.
Hastig ließ Akhisar die Waffe wieder in seiner Jacke
verschwinden. Er hatte einen Augenblick lang die schreckliche
Gewißheit, daß er sie noch öfter brauchen würde.
Mit schweren Schritten stolperte er zu dem Leiberhaufen hinüber.
Er rollte die schlaffen Körper der Büttel zur Seite. Das
Mädchen hatte gleich zwei der Nadeln abbekommen, sie würde
sehr lange schlafen. Sie blutete aus einer Stirnwunde, ihr Gesicht
zeigte einen Ausdruck der Angst und des Ekels.
Akhisar hob den Körper auf. Seltsam leicht lag das Mädchen
in seinen Armen.
Wohin mit ihr?
Zunächst einmal aus der Gasse heraus, bevor neue Büttel
auftauchten, die sich bestimmt keine langen Erklärungen anhören
würden, wenn sie ihre betäubten Gefährten am Boden
liegen sahen. Akhisar schnaufte schwer, als er den Platz wieder
erreichte. Er war geräumt worden - nur auf der jenseitigen Ecke
wurden zwei Demonstranten von einem Dutzend wütender Büttel
zusammengeschlagen.
Akhisar versuchte es mit Nervenstärke. Er ging einfach
weiter, obwohl er sah, daß ihm zwei Büttel entgegenkamen,
die ihrerseits zwei Demonstranten zwischen sich genommen hatten. Als
Akhisar die vier an sich vorübergehen sah, atmete er erleichtert
auf - der Gesichtsausdruck der beiden mittleren, die er für
Verhaftete gehalten hatte, verriet, daß es sich um zwei Büttel
ohne Uniform gehandelt hatte.
Akhisar winkte das nächste Gleitertaxi heran.
„Erst einmal geradeaus", sagte er und legte das Mädchen
auf den Rücksitz. Der Fahrer, ein vierschrötiger Bursche
mit kantigem Schädel, sah Akhisar scharf an.
„Wenn die Kleine mir den Gleiter vollblutet, fliegt ihr
beide raus, ist das klar?"
Akhisar drückte dem Mann zwei Decas in die Hände. „Halt
das Maul und fahre", sagte er scharf.
Er erschrak. So hatte er noch nie einen Erwachsenen angeredet, und
eigentlich ... nein, der Fahrer warf ihn nicht hinaus. Er steckte das
Geld ein und deutete sogar so etwas wie einen Gruß an.
Der Gleiter setzte sich in Bewegung.
„Ihre Freundin?" fragte der Fahrer mit verblüffender
Höflichkeit. „Es sollen ja auch ganz vernünftige
Leute unter den Basuran sein, nicht alle, aber wenigstens ein paar.
Ist ja auch kein Wunder in diesen Zeiten, wenn manche durchdrehen."
Akhisar deutete mit einer Geste an, daß der Fahrer den Mund
halten sollte.
Akhisar suchte in seinen Taschen nach einem Tuch, mit dem er das
rinnende Blut auffangen konnte. Das Mädchen war sehr bleich
geworden, ihr Atem ging sehr flach.
Mit kurzen Kommandos beschrieb Akhisar den Weg. Er ließ den
Gleiter in der Nähe des elterlichen Nestes halten und stieg aus.
Er gab noch ein nicht zu knapp bemessenes Aufgeld und wartete, bis
der Gleiter um eine Ecke gefahren war, bevor er das Mädchen
wieder aufnahm und hastig ins Nest schlüpfte.
Akhisars Familie bewohnte ein eigenes, recht komfortables Nest,
eine Wohnkugel von fast zwanzig Metern Durchmesser. Ein Drittel davon
stak im Boden und diente als Keller, der Rest war in drei Stockwerke
gegliedert und umschloß den Lebensbereich
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