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PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

Titel: PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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seines Patienten lang schon nicht mehr froh, erklärte allerlei Untersuchungen für angezeigt. Man untersuchte Ghon Oiphan, fand aber nichts.
    Ghon Oiphan wurde leichter.
    Es kam der Tag, da zeigte die Waage nichts mehr an, und Ghon Oiphan fühlte sie nicht mehr unter seinen Füßen. Er schwebte, und ohne die Kleidung und das Schuhwerk, das er trug, hätte er jede Bodenhaftung verloren.
    Er machte große, weite Schritte, er ruderte mit den Armen.
    Wenn er ins Büro glitt, lachte man. Was für eine lächerliche Figur. Ghon Oiphan, der Bodenlose. Dem jedes Blatt zu schwer geworden war.
    Für seine gewicht- und somit gewaltlosen Hände.
    Manchmal, wenn er durch die Flure glitt, ziel- und tatenlos, war ihm, als ob er durchscheinend, ja unsichtbar geworden wäre. Ein transparentes Scheusal, das aus den Augen verloren zu haben allen anderen guttat.
    Er lebte allein, er schlief allein. Er war allein.
    Was hält mich hier?, fragte er sich. Nichts hielt ihn. Aber wo sollte er hin?
    Er lag wie der Traum eines Traumes in den Sessel seines Büros geschmiegt, tat nichts, als aus dem Fenster zu sehen und zu träumen.
    Wovon träumte er?
    Wovon träumen wir?
    Von der Zukunft. Von einer anderen Welt. Wo wir und unsereins von Gewicht sind. Wo wir verlangt werden. Träumte vielleicht von den Abwesenden, die bewirkten, dass er allein schlief, allein lebte.
    Leben wir nicht alle in einem solchen Kreis von Abwesenden?
    Ob Träume ihre Statthalter sind?
    Der Büroleiter betrat Ghon Oiphans Büro, schien aber Schwierigkeiten zu haben, Ghon Oiphan in seinem Sessel zu entdecken. Er sagte: Ghon Oiphan, es tut mir leid, ich fürchte, unter diesen Bedingungen können wir dich nicht mehr halten.
    Ghon Oiphan fragte ihn, was er den tun solle.
    Aber der Büroleiter räusperte sich nur, nickte irgendwohin und verließ das Büro.
    Ghon Oiphan fragte sich, ob er jetzt sterben sollte. Der Tod ist wie ein leichter Wind, eine Brise, die ständig in das schwarze Segel unserer Seele bläst, der uns vorantreibt, vor sich her, sodass wir bisweilen meinen, ihm zu entkommen.
    Oh, wir entkommen ihm nicht. Dazu sind unsere Segel zu schwer, dazu haben wir zu viel Trauer geladen, Ballast, den wir nicht abwerfen können, denn dieser Ballast, weißt du, das sind wir selbst.
    Wie sollen wir uns selbst abwerfen?
    Ghon Oiphan aber wog nichts mehr. Es war kein Gran Ballast mehr da von einem Leben. Selbst der Tod wollte ihn nicht haben. Ghon Oiphans Kleidung entglitt ihm. Er war nackt, aber schamlos nackt, so, wie das Licht nackt ist.
    Wie hatte der Bürovorsteher gesagt? Unter diesen Bedingungen sei er nicht mehr zu halten.
    Wie wahr.
    Aber, dachte Ghon Oiphan, was, wenn es ein mögliches Ziel wäre, einen Zustand völliger Bedingungslosigkeit zu erreichen?
    Natürlich hatte er längst zu steigen begonnen.
    Er war leicht wie das Licht.
    Er war leichter als Licht.
    Er stieg, zunächst durch die Decke, durch den Raum dann, aus dem er sich so viele Jahre fortgeträumt hatte. Durch die Sphären der Luft, hoch und höher.
    Nicht einmal die Schwerkraft Lemurs konnte ihn binden. Nicht einmal
    die Sonne. Ein wenig trieb er im Sonnenwind, dann fort, fort.
    Wohin?
    Manche sagen, am Ende sei er nur noch ein Schemen gewesen, ein schwacher Reflex, der Splitter einer Sternennacht, die sich in der Finsternis des Weltraums spiegelte.
    Manche sagen, er sei etwas ganz anderes gewesen als das, und es sei überhaupt alles ganz anders gewesen.
    Denn er habe sein Gewicht, das ganze Gewicht seines Daseins, nicht einfach so verloren, wie aufgrund einer gespenstischen Diät, sondern er sei einfach seinem Traum gefolgt.
    Welchem Traum?
    Was für eine Frage, Caadil: dem Traum zu fliegen, natürlich. Den wir doch alle träumen. Aus unserer Bedeutungslosigkeit Schwung zu schöpfen, aufzusteigen, fortzufliegen.
    Und irgendwann, irgendwo, dort, wo sich Traum und Wirklichkeit ewig und unaufhörlich aneinanderreihen und wo die Wirklichkeit mit ihrer Wucht und Gnadenlosigkeit den Traum zermahlt, zerstößt, zermürbt, irgendwo dort und irgendwann habe diese Realität ein Mal, ein einziges Mal dem Traum nachgegeben.
    Bei dem Lemurer Ghon Oiphan und seinem Traum.
    Dem Traum eines ganz bedeutungslosen Menschen.
    Und das, übrigens, zum Glück aller. Denn seit dem Aufstieg Ghon Oiphans in die unendlichen Räume habe es immer und wieder einen ergriffen, der ihm folgen wollte. Der nicht aufgegeben hat, der zum Himmel aufgesehen und das ferne Licht dieses Sternbildes gesehen hat, der gedacht: Nichts hält uns

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