PR2611-Gegen den Irrsinn
des Gardeleutnants plötzlich aufgetaucht, und zum ersten Mal hatte sich Hoffnung geregt. In ihrem Zentrum stand dieser große, fast dürre Nicht-Escalianer.
Gehörte er zu den Entführern?
War er ein Pirat?
Ein Dämon?
Ihre einzige Hoffnung?
Oder gar nichts von alldem?
»Anführerin?«
Saarema war irritiert. Das Kribbeln in den Fingerspitzen verstärkte sich schmerzhaft. Gleichzeitig spürte sie, wie ihr Magen unruhig wurde. Sie hatte kurz vor der Befehlsausgabe gewohnheitsgemäß mehrere Energieriegel gegessen, um ihre Aufmerksamkeit zu steigern und den Körper »auf Betriebstemperatur« zu bringen.
Ist einer der Riegel schlecht gewesen?
»Saarema!«
Sie zuckte leicht zusammen. Was geschah mit ihr?
»Saarema, hörst du mich?«
Die Truppführerin schüttelte den Kopf. »Was gibt es, Ferron?«
»Etwas stimmt hier nicht!«
»Was meinst du? Sei präziser!«
»Spürst du es nicht?«
Als hätte ihr jemand mit einem glühenden Messer quer durch die Maske geschnitten, kam Saarema endlich zu der Erkenntnis, dass tatsächlich etwas nicht stimmte.
Der rebellierende Magen strahlte schmerzende Blitze in den gesamten Körper aus.
»Ich fühle mich plötzlich unwohl«, stieß sie aus. Die eigene Offenheit erschreckte sie, sobald die Worte durch den Maskenschlitz gedrungen waren. »Geht es euch ebenso?«
Ferron und Torrem bestätigten. Bei den anderen sprach die Körperhaltung Bände.
»Verteilen!«, befahl Saarema. »Gewehre auf Nervenstrahlen schalten! Lasst euch von der Pharmaeinheit ...«
Ein Schwall heißer Magensaft schoss ihre Speiseröhre herauf. Mit äußerster Willensanstrengung biss sie die Zähne aufeinander und zwang die Säure, die es bis in den Mund geschafft hatte, wieder hinunter.
Sie würde sich nicht übergeben.
Saarema hatte das harte Training in der Raumfahrerakademie überstanden. Körperliche Strapazen, Psychospiele, scheinbar ausweglose, fatale Situationen – sie hatte die ganzen drei Jahre durchgehalten, ohne ein Zeichen der Schwäche nach außen dringen zu lassen.
Wie Blicke an Masken abprallen, waren die Qualen, Anspannungen und Überlastungen an ihr abgeprallt.
Sie würde sich nicht übergeben!
Das Innere ihrer Maske würde rein bleiben.
Karlek stöhnte. Die Escalianerin lehnte am Stamm eines Hartpilzes. Zuckungen liefen durch ihren athletischen Körper.
»Schließt die Helme!«, befahl Saarema. »Die Anzüge sollen die gesamtheitliche physische Unterstützung übernehmen!«
Ein hässliches Knacken drang durch die verrottende Landschaft. Gleich darauf fiel der künstliche Horizont aus. Die Männer und Frauen ihres Trupps reagierten darauf. Sie drehten sich um ihre eigene Achse, die Strahlgewehre auf die möglichen Zugänge gerichtet. Über den Helmfunk hörte Saarema hastiges Schnaufen. Atemlamellen der Masken, die aneinander rieben.
Anzeichen von Panik.
Eine gefährliche Situation.
Ihr selbst ging es nicht viel besser. Ihr Körper schien sie im Stich zu lassen. Der Magen rebellierte, ebenso der Darm. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als würden sich schwere Eisenketten langsam enger um ihn ziehen.
»Information an alle Trupps!«, drang eine schmerzhaft laute Stimme über den Funk zu ihr. »Ich erhielt soeben die Meldung, dass auf Höhe der Ebene sieben eine der Luftschleusen manipuliert wurde. Die Trupps in diesem Bereich sind angehalten, jede Unregelmäßigkeit zu melden!«
Saarema bekundete plötzlich Mühe, das Gesagte in einen Zusammenhang zu bringen. Worte und Eindrücke rotierten in ihrem Kopf.
Die Stimme – sie hatte entweder Gardeleutnant Pridon oder Leutnant Karrde gehört.
Saarema wägte ab, erinnerte sich dann an den kernigen Klang der Stimme und ordnete sie dem ... Gardeleutnant ... Karrde ...
Ihr Gedankenfaden riss ab. Etwas stimmte nicht.
»Spezialist Ferron an Gardeleutnant ... Karrde«, hörte sie in diesem Moment eine fremde Stimme in ihrem Kopf. Oder war es doch neben ihrem Kopf? »Etwas stimmt hier nicht ...«
Weshalb verwechselt er die Namen?, dachte Saarema. Und gleich darauf: Es ist meine Aufgabe, Meldung zu machen!
»Funkdisziplin!«, rief sie. Der Hall ihrer eigenen Stimme erschreckte sie. Es klang falsch. Schmerzhafte Eindringlichkeit. Fast wie ein Kreischen.
Saarema riss sich so weit zusammen, wie es nur ging. Vor dem inneren Auge sah sie einen riesigen Gewichtsstein, den sie in eine altersschwache Waagschale wuchtete.
Saaremas letztes Aufgebot an Konzentration.
»Ich spreche mit Leutnant Pridon«, würgte sie
Weitere Kostenlose Bücher