PR2618-Flucht von der Brückenwelt
gleich da.«
»Waffen bereit und Deflektoren an.«
Jenke zog ebenso wie die anderen ihren Paralysator.
Auch die Favaradei hielten je eine der Waffen in der Hand. Unter ihren Überwürfen wusste Jenke Gurte mit Aggregaten, die Pia Clonfert aus SERUN-Ersatzteilen zusammengestellt hatte. Sie gewährten nicht den gleichen Schutz wie ein kompletter Anzug, doch sie hatten nichts für Shimcos und Kulslins Größe Passendes an Bord der VAHANA gehabt. Immerhin war es besser als nichts. Dennoch machte sich Jenke um sie noch die meisten Sorgen. Sie hatten keinerlei militärische Ausbildung genossen. Aber es war zu spät, etwas dagegen zu unternehmen, also blieben nur Vertrauen in die Technik und Hoffnung auf Glück.
Einer nach dem anderen aktivierte sein Deflektorfeld. Die Funktion der Aggregate war unter dem Einfluss des Enklaven-Feldes eingeschränkt und ließ die Mitglieder ihres Teams lediglich zu grauen Schatten verschwimmen. Bei der Flucht durch das Halbdunkel unter dem Stahlschirm mochten sie trotzdem helfen.
»Bereit?«
Jenke wartete die Bestätigung aller ab, ehe sie den letzten Schritt tat.
Schlagartig hing das Pendel ruhig und wies mit der Spitze senkrecht nach unten. Der Raum um Jenke Schousboe klappte um. Noch während der Boden seiner neuen Ruheposition auf der anderen Seite der Brückenwandung entgegenschwang, ließ sie sich fallen und schleuderte das Intrantum in hohem Bogen in den Raum.
Fünf Strahlen trafen das fliegende Gehäuse und brachten die transparenten Scheiben zum Bersten. Splitter und verbogenes Metall regneten durch den Raum, gefolgt von aufgeregten Schreien, als die Schützen erkannten, worauf sie gerade geschossen hatten.
Als Schatten, nicht unsichtbar, aber auch nicht ganz sichtbar, flogen, huschten, sprangen und rannten sie in verschiedene Richtungen von der Fläche. Noch vom Ergebnis ihres Beschusses gelähmte Soldaten wurden gegeneinandergestoßen, während sie versuchten, auf die umherirrenden Schatten zu schießen, ohne ihre eigenen Kameraden zu treffen. Hier und da sank einer unter dem Beschuss eines Paralysators zusammen. Schließlich begann ein Gewitter an Schüssen aus allen Sinneswaffen der Fagesy.
Doch ihre Ziele hatten den Raum bereits verlassen.
*
Laut klang das Pochen ihres Herzens Jenke in den Ohren, während sie sich in die kleine Nische zwischen zwei Gebäuden drückte.
Das Rauschen eines Rüstgeleits drang von der Querstraße herüber. Mit angehaltenem Atem wartete sie, bis es vollständig verklungen war. Erst dann ließ sie die Luft aus den Lungen strömen.
Die Gasse, in die sie geflüchtet war, wurde von hohen Gebäuden begrenzt, die wie planlos hingeworfene Bauklötze wirkten. Winkel, Bögen, Ecken und Schächte wechselten sich ohne erkennbaren Sinn in allen Dimensionen ab und schufen ein Gesamtbild, das einem psychotischen Traum entsprungen zu sein schien.
Offensichtlich legte niemand Wert auf ein einheitliches Stadtbild oder ähnliche Bauvorschriften. Jeder fügte sich so ein, wie ihm Schnauze oder Schnabel gewachsen waren, notfalls einer über dem anderen, wo eben Platz war.
Jenke nutzte einen Moment, in dem ein Schweber mit aufdringlichem Summen an der Mündung der Gasse vorbeiflog, um zum nächsten Schatten zu huschen. Sie folgte dem verwinkelten Weg, bis die Schlucht sich zur nächsten Straße öffnete. In der Deckung eines Containers, der wirkte, als wäre er dort abgestellt und vergessen worden, betrachtete sie auf dem Multifunktionsarmband die Karte. Es wurde Zeit, sich in die ungefähre Richtung ihres Ziels zu orientieren.
Die Flucht aus dem Siegel kam ihr fast wie ein irrwitziger Traum vor. Ausnahmsweise hatten ihre Waffen den gewünschten Effekt erzielt. Das Glück war auf ihrer Seite gewesen, und schließlich war jeder für sich in das Gewirr der umgebenden Gassen eingetaucht.
Am Ende des Durchgangs angekommen, musterte die Irmdomerin das Treiben auf der Straße. Das Licht der Sonne Fa erhellte offene Fronten, hinter deren schillernden Schutzfeldern holografische Warendemonstrationen Kunden anlocken sollten.
Passanten gingen, trippelten und robbten daran vorbei, während in der Mitte der Straße bodennahe Schweber langsam voranglitten. Dort waren keine Schatten, mit denen man verschmelzen konnte.
Jenke entschied sich, ihre Tarnung aufzugeben und stattdessen auf den Schutz der Menge zu hoffen.
Eine ganze Weile ließ sie sich mit dem Strom treiben, immer darauf bedacht, jeden Punkt zu vermeiden, der auf eine Überwachung hindeutete.
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