Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR2632-Die Nacht des Regenriesen

PR2632-Die Nacht des Regenriesen

Titel: PR2632-Die Nacht des Regenriesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
Vom Netzwerk:
assoziativ-analog als logisch. Seine Aufmerksamkeit ist stärker auf die bildlich-inneren Vorgänge gerichtet als auf die Außenwelt. Wenn die REM-Phase dominiert, lässt das Hirn wie in einer Schlafparalyse die Muskeln erschlaffen. Mit dieser Sicherheitsmaßnahme wird verhindert, dass der Träumende die geträumten Bewegungen wirklich ausführt.«
    »Wir werden also einen Traumtänzer bekommen«, sagte Luna.
    Bald begann sich van Taarnhoi unruhig hin und her zu wälzen. Er biss sich die Unterlippe blutig; der Medo versorgte die Wunde rasch.
    »Major van Taarnhoi?«, sprach Margaud ihn an.
    Er starrte sie an, offenbar ohne jedes Verstehen, und lallte ein paar unverständliche Worte. Margaud meinte, etwas wie Krokodil herauszuhören, war sich dessen aber nicht sicher. Sie nickte ihm begütigend zu, auch wenn er das Nicken durch den Helm ihres SERUNS kaum würde sehen können.
    Der Major setzte sich plötzlich auf, drohte aber sofort zur Seite wegzurutschen. Luna und Miravete waren mit einem Schritt bei ihm und stützten ihn.
    Margaud trat ganz nah ans Ohr des Majors und sagte langsam und betont: »Achil! Sie müssen aufwachen!«
     
    *
     
    Die Verbindung war miserabel, und miserabel war noch geschmeichelt.
    »Bitte?«, schrie er in die Sprechmuschel.
    Es rauschte und knackte in der Leitung. Die Stimme schien vom anderen Ende des Universums zu kommen.
    »Ich verstehe nicht. Bitte?«
    Für eine kurze Weile nahm das Knistern überhand, dann flaute es ab. »So viel Zeit haben wir nicht«, meinte er schließlich zu verstehen. »Andere Vorschläge?«
    Er schüttelte den Kopf. Das ist ja Unsinn, fiel ihm gleich darauf ein. Es bestand doch keine Bildverbindung. Das archaische Gerät transportierte nur akustische Informationen.
    Andere Vorschläge waren also gefragt. Hatte er einen Vorschlag? Er schaute aus dem Fenster auf die Straße hinaus und dachte nach.
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag ein Krokodil, schwarz in der Rüstung seiner Schuppen.
    »Hier ist übrigens ein Krokodil«, meldete er in den Hörer.
    Das Krokodil schnappte nach dem einen oder anderen Passanten, aber die meisten hatten es kommen sehen und vorsichtshalber Abstand gehalten.
    Für einen Moment wurde er abgelenkt. Ein Insekt war von der Kante des Tisches auf die Platte gekrabbelt. Es war eine Hummel oder doch etwas in der Art, hatte aber keine Flügel. Stattdessen war es am ganzen Leib gepanzert: graue Metallplättchen, die es wehrhaft erscheinen ließen. Am hinteren Teil des Körpers saß eine Art Buckel, aus dem es schwach violett leuchtete.
    Das violette Leuchten missfiel ihm, das ganze Insekt missfiel ihm. Zumal nun ein zweites, ein drittes seiner Art auf den Tisch geklettert kam. Er hätte sie gern vom Tisch gewischt, scheute aber die Berührung mit den gepanzerten Leibern. Außerdem wusste er mit einem Mal, dass die Hummeln viel größer waren, als sie ihm erschienen.
    Dem Tisch war einfach nicht zu trauen. Dem ganzen Café war nicht zu trauen. Er presste den Hörer fester ans Ohr, als könnte das helfen.
    »Achil?«, fragte die Stimme vom Ende des Universums. Er meinte, einen Mann vor sich zu sehen, einen dunkelhäutigen Mann, der sich über den gescheckten Bart strich.
    »Kommandant?«, erwiderte er. Die eigene Stimme klang körperlos, geradezu durchsichtig.
    Aus der Ferne hörte er ein Kratzen, Fingernägel im Bart, dann: »Bring uns nach Hause.«
    Als hätte er für solche Eskapaden Zeit. Er hatte Wichtigeres zu tun. Er hatte hier zu sitzen und auf die gegenüberliegende Seite zu starren.
    Das Krokodil schnallte sich soeben Stelzen unter. Auf den Stelzen kam es nun behänder voran. Nicht lang, und es hatte einen etwas älteren Herrn an der Hüfte gepackt und schüttelte ihn. Der ältere Herr hatte beachtlicherweise vier Arme und schlug mit einer prall gefüllten Plastiktasche auf das Tier ein.
    Er überlegte, wer wohl in solchen Fällen zuständig war – die Schiffssicherheit? Die Polizei?
    Es war, wie ihm erst jetzt auffiel, ein außerordentlich trüber Tag. Im weiteren Verlauf der Straße war alles wie von Regen ausgewaschen. Er meinte, einige Gestalten zu sehen, Menschen, dem Umriss nach, aber wuchtig und groß, als ob sie in vorsintflutlichen Taucheranzügen steckten, in ungefügen Tiefsee-Skaphandern. Sie kamen näher.
    Offenbar – na endlich! – die Krokodilpolizei.
    Über den Tisch krabbelten nun Dutzende der flügellosen schwarzen Hummeln. Einige flogen auf, er wusste nicht, wie. In ihren Buckeln glühte es unheilvoll.

Weitere Kostenlose Bücher