PR2632-Die Nacht des Regenriesen
Sie wurden zudringlich. Er schlug nach ihnen.
Die Tüte des älteren Herrn war zerrissen. Einige Konservendosen rollten über den Bürgersteig. Der ältere Herr selbst hing schlaff im Maul des Krokodils; seine vier Arme baumelten hin und her. Das Krokodil stakste mit ihm auf seinen Stelzen davon.
Hatte er nicht irgendwo gelesen, dass Krokodile nicht abbeißen und nicht kauen können? Sie mussten ihre Beute unter Wasser ziehen und warten, bis die Leiche mürbe genug geworden war, um Fleischbrocken herauszurupfen.
Aber dieses Krokodil hielt auf keinerlei Gewässer zu. In der Nähe der regengrauen Zone blieb es stehen. Es setzte den alten Mann auf den Boden, winkelte die Hinterbeine an, senkte das Becken und legte Eier.
Die Regenwand war rasch näher gekommen. Er wurde durchnässt. Es war kalt, sehr kalt sogar.
Die unförmigen, wuchtigen Gestalten in ihren Skaphandern kamen näher und näher.
Er sagte etwas in den Hörer, hörte sich selbst nicht zu, ein bedeutungsloses Blubbern. Vielleicht sang er sogar.
Bring uns nach Hause.
Die drei Gestalten waren noch näher gekommen.
Die Stimme im Telefon sagte: »Solange das Risiko geringer ist als die Gewissheit, dass die VAHANA in den nächsten Minuten in Stücke geschossen wird, ist es akzeptabel. Wir machen es so.«
Wie? Er verstand gar nichts mehr.
Das Krokodil trat einige Schritte von seinem Gelege zurück. Die Eier waren schwarz und pochten, als wären sie nicht nur Eier, sondern auch Herzen. Schwarze Herzenseier.
»Bring uns nach Hause«, sagte die Stimme im Hörer schon wieder. Sehr lästig.
Das Licht war immer diffuser geworden, der Regen immer heftiger. Er konnte kaum mehr die Hand vor Augen sehen. In seiner Hosentasche fand er ein Heftchen mit Streichhölzern. Er wollte eines anreißen, merkte aber, dass ihm die Handhabung dieser Hölzer völlig fremd war. Erst beim vierten Mal gelang es ihm, eines der Hölzer anzuzünden. Die kleine Flamme sprang auf den Regentropfen über, von dort zu den beiden nächsten und immer so weiter.
Kurz darauf stand der gesamte Regen in Flammen.
Er hätte dem Kommandanten gern etwas geantwortet, aber in dieser Sekunde hatten ihn die drei Gestalten in ihren Tiefseetauchanzügen erreicht. Die gesamte verdammte Luft des Planeten brannte inzwischen, genauer: Die Myriaden Regentropfen standen in Flammen.
»Major van Taarnhoi?«, sprach ihn eine Stimme an.
Er wollte etwas Spitzzüngiges sagen, etwas durchaus Abweisendes und Angriffslustiges. Ihm fiel nichts ein.
»Achil! Sie müssen aufwachen«, sagte die klobige Gestalt.
*
Der Major schlotterte am ganzen Leib. Luna hüllte ihn fester in die Thermofolie, aber erst als der Roboter ihm einige weitere Injektionspflaster gesetzt hatte, nahm das heftige Gliederzittern allmählich ab.
Der Major betrachtete Margaud, Luna und Miravete mit gerunzelter Stirn.
Dann sagte er mit klappernden Zähnen: »Willkommen an Bord der BOMBAY.«
Beisohn: Zielstern
Er betrachtete den Stern, auf den der dominante Vektor zielte. Der Zielstern lag in einer transdimensionalen Kapsel geborgen, deren energetische Signatur er nicht lesen konnte. Kein elektromagnetischer Impuls drang aus der Kapsel. Ein erblindeter Stern.
Die Kapsel war offenbar künstlichen Ursprungs.
Ein Mysterium. Warum mochten die Bewohner des Systems ihren Stern in eine solche Schwarzkapsel einlagern?
Vielleicht war er – waren sie – unterwegs, um genau diese Fragen den Bewohnern des Systems zu stellen. Kein Zweifel, sie waren Forscher.
Oder?
Er versuchte, seinen Tresor zu befragen. Der Tresor sollte wissen, in wessen Auftrag sie reisten.
Der Tresor schwieg sich aus.
Das verstimmte ihn. Benahm sich der Tresor ihm gegenüber nicht überhaupt kühl, fast abweisend? Schlimmer noch: geheimnistuerisch, ganz so, als läge in seinem Inneren etwas auf der Lauer?
Das war nicht gut. Jemand wie er sollte sich rückhaltlos seinem Tresor anvertrauen können. Er wollte Sinn und Zweck der Expedition erfahren.
Da irrten seine Gedanken ab. Wie Eisenspäne, die in ein Magnetfeld geraten waren, sortierten sie sich neu.
Er gab sich ganz seiner Pflicht hin, hielt das Sternenschiff auf Kurs.
Sie hatten ihr Ziel beinah erreicht.
Das Sternenschiff wurde langsamer als das Licht, langsamer.
Offenbar war er nicht allein. Er war umgeben von anderen Sternenschiffen. Ihm wurde wohl. Alles war, wie es immer gewesen war und wie es sein sollte in Ewigkeit: glorreich und herrlich.
Wäre nur nicht das feine, feindliche Etwas in den
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