Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR2632-Die Nacht des Regenriesen

PR2632-Die Nacht des Regenriesen

Titel: PR2632-Die Nacht des Regenriesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
Vom Netzwerk:
durchlässig, gegenstandslos und leer.
     
    *
     
    »Geronimo?«
    Alles war wieder finster. Vielleicht war er auch blind. Er bebte am ganzen Körper.
    »Ja«, sagte er vorsichtig.
    »Steh auf!«, sagte DayScha.
    Er stand auf.
    »Geht es?«
    Er wankte, er nickte. Sie stützte ihn. Sie traten ein, zwei Schritte vor das Zelt. Sie blickten in den Himmel und sahen ein ganzes Nest von Blitzen.
    »Eine Explosion«, sagte DayScha. »Ein Raumschiff explodiert.«
    Geronimo nickte und schluckte.
    Das Raumschiff – wenn es denn eines war – stürzte tiefer und tiefer und wurde von immer weiteren Explosionen zerrissen.
    »Zurück ins Zelt«, rief DayScha. Geronimo fühlte, wie ihre kräftigen Grobhände ihn zurück ins Geodät rissen.
    »Schütze uns!«, brüllte die Cheborparnerin. »Versiegele dich!«
    Das leise Knistern verriet ihm, dass das Zelt verhärtete. DayScha brachte Geronimo zu Fall und warf sich beschirmend über ihn. Sie hörte, wie das Geodät getroffen wurde, wieder und wieder.
    Wir werden sterben, dachte Geronimo kalt und geduldig.
    Draußen, nah und fern, stürzten Trümmer zu Boden. Etwas Großes, sehr Großes, krachte in nächster Nähe durch die Bäume.
    Schließlich kehrte Stille ein. Es war eine unwirkliche Stille, als würde sich die ganze Welt in dieser Lautlosigkeit verbergen.
    Im Geodät schimmerte ein fahles Licht. Geronimo sah, dass DayScha tätig war. Sie schaffte Medikamente herbei, injizierte etwas in seinen Gehörgang. Er spürte die unendlich feine Berührung ihrer Nasententakel.
    Langsam ließ die Betäubung nach.
    Allmählich vernahmen sie die Geräusche, die sich aus der Lautlosigkeit schälten. Etwas klagte dort draußen, wimmerte.
    Geronimo richtete sich auf. Er zitterte. »Wir müssen nachsehen«, sagte er.
    »Nein«, widersprach DayScha. »Das müssen wir nicht.«
    »Vielleicht müssen wir fort«, sagte er. »Wir müssen das klären. Wir können nicht abwarten.«
    Sie folgte ihm vor das Geodät. Geronimo schaute sich um. Langsam setzte er sich in Bewegung. Die Angst, die eben im Bewusstsein, sterben zu müssen, noch völlig versiegt gewesen war, kehrte zurück. Geronimo ging auf das Geräusch zu.
    In diesem Augenblick hörten sie Tiere schreien. Überall die Trümmer der Baumkronen, zersplittertes Holz. Der Regen, der ihnen wie ein Film über das Gesicht lief.
    Mit unsicheren Händen wühlte er in einer Tasche, bis er einige Photonencracker gefunden hatte. Er aktivierte sie und streckte die Hand aus.
    Vor ihnen öffnete sich eine Lichtung, die es, als sie schlafen gegangen waren, noch nicht gegeben hatte.
    Was dort im Licht der Cracker lag, musste unbegreiflich groß sein. Ein Kopf – wenn es ein Kopf war – wie ein Felsen. Ein Leib, dessen Länge und Gewicht Geronimo nicht zu schätzen wagte. Vier Arme, stark genug, eine ganze Welt zu tragen, versuchten – ja, was? Sich aufzustützen? Den Kopf, den Leib zu schützen?
    Die Züge des Gesichtes beinah menschlich. Die Lider geschlossen, dahinter ein violettes Wabern.
    »Was ist das?«, flüsterte DayScha.
    Geronimo schüttelte benommen den Kopf.
    »Weißt du das nicht?« Er schwenkte die Hand von links nach rechts, von rechts nach links, als könnte er so mit den Photonencrackern die Szene besser beleuchten und das ungeheuere Wesen, das dort zwischen den Resten von Baumstämmen lag, weiter aus der Finsternis heben. »Es ist der Phassafulbuli«, sagte er. »Dein Regenriese.«

Epilog
     
    Bull blickte in das verstörte Gesicht von Ollaron. Die oft knabenhaft anmutende Frau hielt die Arme um den Leib geschlungen, als fröre sie. Er setzte ein behutsames Lächeln auf, das sie dankbar annahm.
    Auch Henrike Ybarri, die Erste Terranerin, lächelte. Es musste wehtun, so zu lächeln. Sie hatte sich offenbar die Lippen blutig gebissen. Krusten in ihren Mundwinkeln. Sie schien abwesend, in einen labyrinthischen Tagtraum verloren.
    »Henrike?«, fragte er.
    Sie nickte. »Ja. Alles in Ordnung.«
    Urs von Strattkowitz hatte immer etwas Knochiges, Skeletthaftes gehabt. Nun wirkte der Staatssekretär für Forschung, Wissenschaft und Innovation wie ein Schwerstkranker, der sich nur für seine letzten Worte noch einmal von seinem Totenbett aufgerafft hatte. Bull nickte ihm auffordernd zu.
    Für einen Moment fühlte Bull sich schuldig. Er war dem Höllengekreisch der akustischen Waffe nur für den Bruchteil einer Sekunde ausgesetzt gewesen; dann hatte die Solare Residenz ihn mit ihren biopositronisch gesteuerten Sicherheitsmechanismen in Schutz genommen.

Weitere Kostenlose Bücher