Prime Time
führte zwangsläufig zu Anspannung und bedrücktem Schweigen im Auto. Annika versuchte es sich bequem zu machen, aber der Gurt scheuerte, und die Nackenstütze saß zu hoch. Sie wusste, dass nicht der Sitz das Problem war, sondern ihre Unsicherheit. Es war erst ein paar Wochen her, dass sie nach ihrer Elternzeit wieder angefangen hatte zu arbeiten. Sie zweifelte an sich und hatte das Gefühl, ihre Arbeit in der Kriminalredaktion würde in Frage gestellt.
Während ihrer Schwangerschaften hatte die Redaktionsleitung sie in andere Abteilungen versetzt, unter anderem zur Frauenseite und zum Tratsch bei »Dies und Das«. Sie hatte sich degradiert und abgeschoben gefühlt, hatte aber nicht protestiert. Natürlich war ihr sonnenklar, wie man in der Redaktionsleitung über junge, gerade erst fest angestellte Frauen dachte, die plötzlich schwanger wurden.
Sie wusste, dass sie als faules Stück galt, als Betrügerin, die das System mit der gesetzlichen Elternzeit ausnutzte, um die Zeitung in Schwierigkeiten zu bringen. Es war doch ein Witz, eine hochschwangere Frau in der Kriminalredaktion zu haben. Zum einen nahm man an, dass ihr, sowie sich das Spermium in die Eizelle gedrängelt hatte, alle Gehirnzellen abgestorben waren, und zum anderen musste sie ja für ihren Betrug bestraft werden. Sie erinnerte sich noch an ihre verbitterten Tränen und die linkischen, verständnislosen Versuche von Thomas, sie zu trösten.
»Es geht dir bestimmt bald besser, du wirst schon sehen«, hatte er gesagt und ihr ein Glas Milch geholt.
Sie hatte ihm nie erzählt, dass sie nicht weinte, weil ihr schlecht war.
Ihr Nacken tat weh. Sie fuhr mit der Hand über den ersten Halswirbel, massierte ihn und versuchte, den Kiefer zu entspannen. Den größten Teil der Fahrt hatte ihr Handy keine Verbindung gehabt. Ihre mickrige Telefongesellschaft bot hier draußen in der Pampa kein Netz.
Immerhin hatte sie herausbekommen, dass sowohl die Kripo von Eskilstuna als auch die Landespolizei eingeschaltet worden waren, was sie mit Zuversicht und Unbehagen zugleich erfüllte. Zur Mordkommission in der Hauptstadt hatte sie einen guten Kontakt, vor allem zu Q dem Ermittler, der oft auch außerhalb der Hauptstadt tätig war. Ihre Beziehung zur Polizei von Eskilstuna war wesentlich komplizierter. Die dortige Polizei hatte vor sechs Jahren den Tod des Bandyspielers Sven Matsson in Hälleforsnäs untersucht, und sie war sicher, dass sie nichts vergessen hatten.
Sie starrte aus dem Autofenster. Dort wischten die Nadelbäume vorbei, die sörmländische Natur, durch die sie damals gerannt war, gejagt, auf der Flucht.
Es war ein kühler, klarer Herbsttag gewesen. Am Abend zuvor hatte sie Sven verlassen und ein für alle Mal ihre sadistische Beziehung beendet. Er hatte ihr daraufhin geschworen, sie umzubringen, hatte sie mit einem Jagdmesser durch den Wald verfolgt und ihrer Katze den Bauch aufgeschlitzt.
Sie schloss die Augen und ließ sich vom schlechten Asphalt und den neuen Stoßdämpfern des Saab schaukeln. Sie konzentrierte sich darauf, sich zu entspannen. Vor ihrem inneren Auge sah sie Svens Kopf, zertrümmert von dem Eisenrohr, das sie in der Hand hielt. Sie sah, wie er sich langsam über die Kante des Hochofens schob und in der Tiefe verschwand. Ihr Atem wurde schneller, es kribbelte in den Beinen. Sie verdrängte das Bild. Sie war wegen Totschlags verurteilt worden, und das Gericht von Eskilstuna hatte die Strafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt.
Ihre Tat wurde als Notwehr eingestuft, und sie wurde vom Verdacht des Mordes freigesprochen. Sie selbst war nicht sicher, ob das Urteil korrekt war. Sie hatte töten wollen. Sie hatte dagestanden, die sterbende Katze im Arm, aus deren Bauch die Gedärme quollen, und hatte das Gefühl gehabt, richtig gehandelt zu haben.
»Müssen wir hier nicht abbiegen?«
Sie sah auf.
»Ja. Nach links.«
Sie fuhren die lange Allee hinunter, die zur Auffahrt nach Yxtaholm führte. Als sie an der Abzweigung zum Gestüt vorbei waren, zeigte sich, dass die Straße von einem großen Schlagbaum versperrt wurde.
Bertil Strand stöhnte.
»Verdammt, das ist doch typisch.«
Annika sah nach rechts, wo man die weiße Fassade der Schlosses hinter den Laubbäumen durchschimmern sah.
Etwas weiter die Auffahrt hinauf konnte sie Leute erkennen, gerade fuhr ein Bus auf den Parkplatz neben dem Stall.
»Die ganze verdammte Medienwelt von Schweden ist schon da«, brummte der Fotograf.
»Hör auf zu meckern«, sagte Annika.
Sie
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