Prime Time
machte die Autotür auf und stieg aus dem Wagen, als Bertil gerade Gas geben wollte, um wegzufahren.
»Wie weiträumig ist hier abgesperrt?«, rief sie dem Polizisten am Schlagbaum zu.
»Die ganze Landzunge.«
»Und warum durften die anderen rein?«
Sie knallte die Autotür mit aller Kraft zu und tat, als würde sie die aufgeregten Proteste von Bertil Strand nicht hören.
»Wir werden die ganze Gegend absperren und hinterher alle rausschicken«, antwortete der Polizist mit fester Stimme, doch sein Blick glitt über das Wasser, und der Adamsapfel hüpfte. Er stammte von hier, wahrscheinlich aus der nächsten Polizeistation in Katrineholm.
Annika beschloss, zum Angriff überzugehen. Sie wühlte ihren Presseausweis aus der Tasche, ging mit festen Schritten auf den Beamten zu, hielt ihm den Ausweis unter die Nase und sah ihm direkt in die Augen.
»Versuchen Sie, mich an meiner Arbeit zu hindern?«
Der Polizist schluckte wieder.
»Ich habe meine Anweisungen«, sagte er und sah konzentriert auf den Långsjö hinaus.
»Die besagen, die Presse daran zu hindern, über eine Nachrichtensache zu berichten? Das glaube ich nicht.«
Er sah Annika an.
»Sind Sie nicht die aus Hälleforsnäs?«, fragte er.
Annika geriet ins Schwanken, machte dann auf dem Absatz kehrt, ging zum Auto zurück und ließ sich schwer auf den Beifahrersitz fallen.
»Hier kommen wir nicht weiter«, sagte sie und knallte die Tür zu.
»Wie oft muss ich dir noch sagen, dass …«
Bertil Strand ließ die Kupplung kommen, ganz vorsichtig, damit der Schotter den Lack nicht beschädigte.
»Warte«, sagte Annika, schloss die Augen und strich sich über die Stirn. Sie spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern schoss. Es musste noch einen anderen Weg geben.
Der Fotograf gab Gas und legte den zweiten Gang ein, wobei er auf dem nassen Schotter ein klein wenig schleuderte. Das Gefühl, gescheitert zu sein, quälte sie, lag ihr wie ein Stein auf der Brust.
»Halt an«, bat sie. »Wir müssen nachdenken.«
Bertil Strand parkte vor einem ausgeblichenen Straßenschild.
»Es muss doch möglich sein, irgendwo anders reinzukommen«, sagte sie.
Der Fotograf sah über den See.
»Kommt man auch von der anderen Seite ran?«
»Das Schloss liegt auf einer Insel mitten zwischen zwei Seen«, sagte Annika. »Dieser hier heißt Långsjö. Der Yxtasjö auf der anderen Seite reicht ziemlich weit nach links. Ich glaube nicht, dass es da noch eine Straße gibt. Höchstens einen Waldweg, aber die sind meistens auch mit einem Schlagbaum abgesperrt.«
Sie schaute über das Wasser und sah den Hof von Finntorp durch die Bäume. Dort war sie als Jugendliche zu Reitferien gewesen, war auf Soraya gesprungen und hatte bunte Rosetten gewonnen. Die Bilder tanzten in ihrem Kopf vorbei, der Duft von frisch gemähtem Heu, die Wärme des Pferdes unter ihr, der Staub der Schotterstraße, das vollkommene Zusammenspiel und die Liebe zu der Stute.
Plötzlich wusste sie, was zu tun war.
»Fahr links rauf«, sagte sie, »und dann wieder links.«
Der Fotograf tat, was sie sagte, ohne weiter zu fragen.
Entweder verließ er sich auf sie, oder er war sauer. Sie versuchte, sich nicht darum zu scheren.
»Und jetzt?«, fragte er, als sie nach Finntorp kamen.
»Rechts«, meinte Annika. »Nach Ansgarsgården.«
Sie rollten sanft den Hügel hinauf, an den Pferdeweiden vorbei und den Schildern, auf denen stand, dass man hier nicht mit dem Auto fahren durfte. Die roten Holzhäuser tauchten wie große Klötze aus dem Regenschleier auf.
»Was ist das hier?«
»Ein Hof für christliche Kurse und Freizeitlager. Ich glaube, die Anlage gehört dem Schwedischen Missionsverband. Fahr den Hügel hinunter, hinter den Häusern gibt es einen Parkplatz.«
Der Parkplatz war leer, abgesehen von einem Wohnwagen, der am hinteren Ende stand. Sie stellten das Auto am Rand einer großen Rasenfläche ab.
»Warum sind wir hier?«, fragte Bertil Strand.
»Hinter dem Hügel da vorne ist eine Badestelle«, sagte Annika, »und wenn ich mich recht entsinne, liegt am Steg ein Rettungsboot. Ich denke, das können wir uns mal ausleihen.«
Der Regen schien nicht nachzulassen. Sie zogen sich die Regensachen an, und Bertil Strand packte die Kameras in Plastik und seinen wasserdichten Rucksack.
»Deck den Computer zu«, sagte er. »Ich will nicht, dass mir jemand den Wagen aufbricht.«
Annika presste die Lippen zusammen und warf eine Decke über die Laptoptasche auf dem Rücksitz. Aufbrechen? Auf einem leeren
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