Prime Time
Parkplatz an einem christlichen Freizeithof?
Das Boot war da, halb voll Wasser. Die Ruder hatte jemand ins Schilf geworfen, ein Schöpfeimer war nicht zu sehen.
Gemeinsam zogen sie es aus dem Wasser und drehten es um.
Das Wasser floss in einem kleinen Bach durch den Sand.
»Kannst du rudern?«, fragte Bertil Strand ungewohnt zaghaft.
»Ich hoffe, sie haben nicht auch noch die Ufer abgesperrt«, meinte Annika nur.
Es war weiter, als sie gedacht hatte. Das kleine Ruderboot hüpfte wie eine Nussschale auf den Wellen, zeitweise dachte sie, sie würden gar nicht vorwärts kommen. Der Boden füllte sich schon wieder mit Wasser, das schien also nicht nur von oben zu kommen.
Schönes Rettungsboot, dachte sie, als sie halb über den See waren.
Als sie um die Landzunge kamen, blies ihnen der Wind direkt entgegen. Annika bekam allmählich Krämpfe in den Armen.
»Glaubst du wirklich, dass wir es heute noch schaffen?«, fragte Bertil Strand, der nass war wie ein ersoffener Hund.
Das ließ sie noch fester und schneller rudern. Und als sie gerade schon aufgeben wollte, erblickte sie die Sauna und das Strandhaus.
»Jetzt sind wir gleich da«, sagte sie und sah mit zusammengekniffenen Augen durch die Regenschauer zu der Insel hinüber, auf der das Schloss lag.
Am Ufer war irgendetwas los. Sie konnte vor den Flügeln des Schlosses kleine schwarze Figuren ausmachen und vor einer weißen Mauer an der Mündung des Kanals einen bunten Klotz. »Das wird wohl der Bus mit dem Regieraum sein, was?«, meinte der Fotograf und nahm eine Kamera aus einer Plastiktüte. »Könntest du das Boot bitte etwas ruhiger halten? Ist vielleicht ganz gut, wenn ich schon mal ein paar Schnappschüsse mache, für den Fall, dass sie uns wieder rausschmeißen.«
Sie kümmerte sich nicht um ihn, sondern ruderte weiter.
Fast war sie für das Unwetter dankbar. Mit etwas Glück würden sie um die Insel herumrudern können, ohne bemerkt zu werden, und dann unterhalb des Fahnenmastes an Land und in die nähere Umgebung des Schlosses kommen.
Es funktionierte. Annika zitterte am ganzen Körper, als sie das Boot durch das Schilf und auf den Rasen zerrte. Ihr war eiskalt, und sie war erschöpft.
»Kennst du dich hier aus?«, fragte Bertil Strand.
Sie schnaufte einen Augenblick und versuchte, ein Husten zu unterdrücken.
»Meine Großmutter hat mich jedes Jahr zu ihrem Geburtstag hierher mitgenommen. Wir sind dann im Schlosspark spazieren gegangen und haben oben im Speisesaal ein dreigängiges Menü gegessen.«
»Das sind ja reizende Gewohnheiten«, meinte Bertil Strand und schwang sich den Rucksack auf den Rücken.
»Meine Großmutter war Haushälterin auf Harpsund – das ist von hier nur ungefähr zehn Kilometer durch den Wald.
Und sie kannte den damaligen Wirt von Yxtaholm. Das Essen war ein Geschenk.« Annika zeigte nach rechts in den Nebel.
»Die Terrasse«, sagte sie, »da hat man wahrscheinlich die Sendung aufgenommen.«
Sie wies nach links.
»Der Nordflügel, Suiten und Doppelzimmer. Geradeaus, das große Haus, Speisesäle und Salons. Komm.«
Der Hauptflügel des Schlosses türmte sich vor ihnen auf wie ein glitzernder Palast, weiß und regennass. Sie näherten sich dem Haus vom nördlichen Giebel. Das Dach wirkte noch schwärzer als der regenschwere Himmel. Die Rosen im Beet in der Mitte des Schlosshügels waren dabei zu erblühen. An der Auffahrt parkten drei Polizeiautos.
»Was ist das hier eigentlich?«, fragte Bertil Strand und packte eine Kamera aus.
»Ein alter Herrensitz«, meinte Annika, »schon im Mittelalter aktenkundig. Heute ein Hotel mit Konferenzräumen, im Besitz des Schwedischen Arbeitgeberverbandes. Erbaut 1753.«
Der Fotograf warf ihr einen raschen Blick zu.
»Nicht 1754?«
»Steht da«, sagte Annika und zeigte auf die Jahreszahl über der Tür. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie die Doppeltür noch nie geschlossen gesehen hatte. Immer hatte sie einladend offen gestanden. Jetzt wirkten die braunen Türen massiv, schwer und fest verschlossen.
Sie zeigte über den Schlosshügel am Südflügel vorbei.
»Die ersten Gebäude waren aus Holz und lagen dort hinten.
Das Schloss und alle Nebengebäude haben ein Gerüst aus Ziegelsteinen, die in einem Ofen hinter den Bäumen da drüben gebrannt worden sind. Erst den Tatort?«
Bertil Strand nickte.
Sie gingen um das Schlossgebäude herum, tasteten sich vorsichtig von Baum zu Baum durch den Park. Dann an der Terrasse mit einem geharkten Kiesweg und gepflegten
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