Prime Time
reden.
»Was sagt Wennergren?«
»Keine Ahnung. Er darf nur mit der Polizei reden.«
»Was soll denn das heißen? Haben sie Wennergren in die Mangel genommen? Der ist doch Journalist!«
Es klang, als würde etwas Nasses auf dem Hörer landen.
Annika verzog das Gesicht.
»Ich habe nicht gesagt, dass sie ihn festgenommen haben.
Er wird nur im Zuge der Ermittlungen befragt. Außerdem ist er in guter Gesellschaft. Barbara ist auch hier.«
»Hanson? Verdammt noch mal. Schyman hat ihr doch gesagt, sie soll aufhören, Scheiße über Michelle Carlsson zu schreiben.«
Annika war etwas verwirrt, sie wusste nicht, worauf Spiken sich bezog. Um ehrlich zu sein, hatte sie während ihrer Elternzeit die Zeitung nur sporadisch gelesen, vor allem was die üblen Tratschkolumnen von Barbara Hanson anging. Sie wechselte das Thema.
»Insgesamt werden zwölf Leute verhört.«
»Wer denn alles?«
Offenbar hatte der Nachrichtenchef seine Mahlzeit beendet, denn er rülpste und zündete sich eine Zigarette an. »Ich nehme an, vor allem Leute vom Fernsehteam, aber das werde ich noch rauskriegen.«
»Wir brauchen Namen und Fotos von allen«, sagte Spiken und kritzelte mögliche Formulierungen für die Schlagzeilen hin. »
Sie haben das Massaker im Schloss überlebt. Einer von ihnen ist der Mörder. Und da waren ’s nur noch zwölf.
Verdammt, das ist gut.«
»Welch ein Poet«, meinte Annika und legte auf.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Bertil Strand.
»Zum Parkplatz«, meinte Annika.
Sie mussten am Ende der Brücke unter einer Absperrung hindurchkriechen und gesellten sich dann zum Rest des Medienaufgebots.
»Wie seid ihr denn reingekommen?«, fragte der Kollege von der Konkurrenz, ein großer Mann mit blondem Haar und durchnässter Lederjacke.
»Wir haben uns schon seit gestern in der Höhle des Löwen versteckt«, erwiderte Annika und ging zum Stall.
Sie fing an sich zu entspannen, langsam fühlte sich auch der Körper wieder normal an. Die Arme waren nicht mehr so verkrampft, und die Unruhe im Magen hatte sich gelegt. Das Wasser, das ihr in den Kragen gelaufen war, hatte sich mittlerweile aufgewärmt. Sie ging ein wenig umher, um ihre Glieder zu lockern.
Ein Polizist in Uniform kam aus dem Stall und kämpfte mit dem Vorhängeschloss. Anschließend eilte er zu den Hauptgebäuden, ohne von den wartenden Journalisten Notiz zu nehmen. Annika sah ihm nach. Der Boden war mit Wasser vollgesogen wie ein Spülschwamm und gab leicht nach, als sie ging. Um ihre Füße bildeten sich Wasserlachen. Sie starrte auf die Erde, braun und fleckig, Schotter und Dreck.
Es roch modrig und abgestanden. Schweden, dachte sie, was für ein verdammtes Scheißland.
Dann suchte sie, erschrocken über ihren Gedanken, nach Entschuldigungen.
Die Eishockeymannschaft ist schon gut, zumindest wenn Forsberg mitspielt, und dann der Wohlfahrtsstaat und die Natur.
Die Natur.
Sie versuchte, sie hinter dem Regenvorhang zu erkennen, sah aber nur Grau und Braun in verschiedenen Nuancen.
Alles verwischt.
Hier gab es keine Entschuldigungen, nicht an einem Tag wie diesem.
Sie putzte sich die Nase und versuchte, den modrigen Geruch zu vergessen.
Abgesehen vom Konkurrenzblatt waren das staatliche Fernsehen, Radio Sörmland, Öst-Nachrichten und ihre eigene alte Lokalzeitung, der
Katrineholms-Kurier
, rechtzeitig auf die andere Seite des Schlagbaums gekommen. Ihre Autos standen mehr oder weniger schlampig geparkt am Gartenflügel. Sie nahm Block und Stift heraus und wandte sich den Wagen zu. Ein goldfarbener Range Rover, der größte und teuerste Jeep, der auf dem Markt zu haben war – sie schrieb die Nummer auf. Dann ging sie weiter die Reihe durch: ein VW-Polo, rot mit schwarzem Verdeck, ein rostiger Fiat Uno, ein schwarzer Sportwagen, der exklusiv aussah, bis sie merkte, dass es nur ein Chrysler war. Ein grüner Volvo S40, ein bronzefarbener Renault Clio mit »Jesus lebt« auf der Heckscheibe, ein blauer BMW und ein brauner Saab 900, der sicher schon ein Jahrzehnt auf dem Buckel hatte.
Gott sei Dank, das Handy hatte ein Netz, und sie bekam nach nur einer Minute einen Typen bei der Leitzentrale in Stockholm an die Strippe.
»Ich habe hier ein paar Autonummern, hätten Sie Zeit, sie nachzusehen?«
Der riesige Jeep gehörte TV-Plus, das deutsche Cabrio war auf Barbro Rosenberg in Solna gemeldet, der Fiat auf eine Hannah Persson in Katrineholm, der Sport-Chrysler gehörte der Firma Build & Create mit Sitz in Jönköping, der Volvo einer Karin
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