Pringle in Trouble
schließlich war er hier,
um sich zu entspannen, sich körperlich und seelisch zu erholen. Sein Vertreter
kostete jeden Tag ein Vermögen, je schneller er also damit anfing, um so
besser. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte er Mrs. Burg den Korridor
hinunter.
Wo war der Komfort, den man im
Hausprospekt versprochen hatte? «Gemütlich eingerichtete Zimmer, jedes mit
eigenem Kaminfeuer... Der Colonel und Mrs. Willoughby werden sich bemühen,
jedem ihrer Gäste wieder zu ihrer alten Vitalität zu verhelfen...» Von diesem
kahlen, zugigen Steinkorridor war nicht die Rede gewesen. Regelrechte Böen
hoben die Kokosläufer und ließen die Ritterrüstungen scheppern.
Mrs. Burg hob fröstelnd die Schultern.
«Wir versuchen den Geruch loszuwerden.»
«Den Geruch?» Vor Hughs innerem Auge
erschienen Generationen längst verblichener Willoughbys, wie sie, unter den
Steinplatten vor sich hin modernd, noch im Verwesungszustand trotzig zwei knöcherne
Finger reckten.
«Vom heißen Essen. Den Gästen, die am
nächsten Tag abreisen, ist es gestattet, am letzten Abend hier eine warme
Mahlzeit einzunehmen. Der Essensduft ist für die übrigen Gäste mitunter
irritierend, besonders für die auf Flüssigdiät.»
Ihr Ton vermittelte, daß es mit dieser ‹Flüssigdiät›
eine besondere Bewandtnis habe. «Glauben Sie, daß mir die auch verordnet wird?
Die Flüssigdiät, meine ich?» fragte Hugh interessiert. Sie musterte ihn von
oben bis unten, als schätze sie nicht nur seine Chancen auf Flüssigdiät,
sondern seine Lebenschancen überhaupt ab.
Sie nickte. «Doch, ja — Flüssigdiät.
Ganz sicher.»
Schockartig kam ihm die Erkenntnis, daß
er nicht nur übergewichtig, sondern fett sei — fett und schwabbelig; vermutlich
war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich seine Arterien infolge der
Ablagerungen zusetzten. Er reckte sich und zog den Bauch ein. Sofort machte
sich sein Magengeschwür bemerkbar. «Einen Augenblick bitte, ich habe
Schmerzen.» Mrs. Burg blieb geduldig stehen. So etwas erlebte sie jede Woche.
Alle, die kamen, waren krank. Und alle erwarteten Wunder. Wirklich töricht. Ihr
fiel ein, daß Hugh zum erstenmal da war. Sie öffnete eine wuchtige Eichentür.
«Dies ist die Bibliothek. Rauchen ist
hier untersagt.» Hugh erinnerte sich an Seite zwei des Hausprospektes. Er
nickte und genoß für einen Moment die Wärme des Raumes.
«Oliver Cromwell hat auf einem seiner
Feldzüge nach Norden in diesem Schloß Quartier gemacht und sich in diesem Raum
hier aufgehalten.»
«Ach, wirklich?»
Dann hatte seine Faust womöglich auf
eben jenem schweren Tisch da drüben geruht? Jetzt war er übersät mit alten
Ausgaben der Zeitschrift The Field und Merkblättern des
Landwirtschaftsministeriums.
«An dem Tisch dort hat er gesessen und
das Todesurteil für dreitausend irische Soldaten unterschrieben.»
Hugh versuchte, sich zu wehren.
Schließlich hatte er für den Aufenthalt hier einiges hinblättern müssen. «Der
Blick auf den Park ist wirklich großartig. Der hat Cromwell bestimmt auch
beeindruckt!»
«Unter den Bäumen da hinten liegen
Pestopfer begraben. Der Schwarze Tod hat hier im fünfzehnten Jahrhundert
schlimm gewütet.»
Er sehnte sich nach der Geborgenheit
seines Zimmers, aber bevor er auch nur einen Blick hineinwerfen konnte, hatte
Mrs. Burg die Tür zu Nummer acht schon wieder geschlossen.
«Das Zimmer ist leider noch nicht
bereit. Ihr Vorgänger — einer unserer regelmäßigen Gäste — hatte letzte Nacht
ein kleines Mißgeschick. Er wird eben allmählich ein bißchen senil.»
Hugh verspürte Mordgelüste. Wenn er
nicht so erschöpft gewesen wäre, hätte er die erstbeste Axt von der Wand
gerissen und Mrs. Burg den Schädel gespalten. Sie wandte sich zu ihm um. Ihre
buschigen Augenbrauen wuchsen über der dünnen Nase zusammen und verliehen ihrem
Gesicht trotz des Lächelns einen grimmigen Ausdruck.
«Lassen Sie Ihr Gepäck doch einfach
hier stehen. Es ist ohnehin Zeit für den Tee.» Wie zur Bestätigung erklang aus
einiger Entfernung ein Glockenzeichen.
«Wo wird der Tee serviert?»
«Im Solarium.» Ihr gekrümmter Finger
wies den Gang hinunter, den Weg zurück, den sie gerade gekommen waren. Hugh
marschierte los und bemühte sich, die neuerlichen Mordgedanken zu unterdrücken.
Er war überrascht, daß ihm die
gepolsterte Tür nicht gleich aufgefallen war. Man hatte sie direkt gegenüber
der Bibliothek in die Mauer eingelassen. An dieser Seite des Ganges gab es
keine Fenster, und die Tür
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