Printenprinz
war die angenehme Erfahrung, die er in diesem Saal machte, und das Wissen, dass sich seine Auftritte im steigenden Umsatz beim Printenverkauf niederschlagen würden.
Erst nach Mitternacht verließ er die glückselige Gesellschaft. Als der Alkoholpegel zu hoch stieg und das offizielle Programm beendet war, sah von Sybar die Zeit für sich gekommen. Schnell verabschiedete er sich und war wenige Minuten später auf der Autobahn in Richtung Aachen, die er fast für sich allein hatte. Es machte ihm Spaß, einmal den Bleifuß einzusetzen und über die leere A 4 zu rasen. Erst hinter der Ausfahrt Weisweiler in Höhe des Braunkohlekraftwerks meldete sich sein Navigationsgerät wieder: »Jong, pass op, watse määst. Da kütt en Baustell und en Radarfall. Da derfst du nit schneller als wie Aaatzig.« Sofort zügelte er die PS unter der Motorhaube und hielt sich an das langsamere Tempo.
Die Autobahn war auf einen schmalen Fahrstreifen verengt worden. Hinter Leitplanken werkelten bei Scheinwerferlicht Arbeiter. Mit ihnen würde er nicht tauschen wollen, dachte von Sybar. Bei Wind und Wetter, bei Tag und Nacht draußen zu arbeiten, das war nicht seine Welt. Da fühlte er sich im warmen Büro oder in den Fabrikräumen an den Backstraßen wohler.
»Dat määste jut, wa«, lobte ihn die Stimme im Navi als Zeichen, dass er die zulässige Geschwindigkeit einhielt, obwohl niemand außer ihm auf der Fahrbahn unterwegs war. Daraufhin beschleunigte er den Sportwagen wieder bereits vor dem erkennbaren Ende des Baustellenbereichs.
Der Zuspruch seines Navigationssystems waren die letzten Worte, die er vernahm. Mit einem lauten Knall zerplatzte die Windschutzscheibe.
Von Sybar spürte noch den fürchterlichen Schlag und den unermesslichen Schmerz.
Dann war seine Zeit auf dieser Welt vorbei.
4.
Böhnke wähnte sich noch in einem schlechten Traum, als er am frühen Morgen vom Radiowecker auf seinem Nachtschränkchen mit der Nachricht aus dem WDR-Studio Aachen geweckt wurde: In der Nacht zum Freitag sei der Juniorchef der weltweit operierenden Aachener Printenfabrik, Peter von Sybar, bei seiner Rückfahrt aus Köln auf der Autobahn A 4 zwischen Weisweiler und Eschweiler tödlich verunglückt. In der Nachricht wurde die Vermutung aufgestellt, Unglücksursache könnte ein Stein oder ein Felsbrocken gewesen sein, der von Unbekannten auf die Fahrbahn geworfen worden war.
Böhnke wollte nicht glauben, was er da hörte. Das konnte doch kein Zufall sein, dass er mit dem Firmenchef sprach und wenig später dessen Schwiegersohn ums Leben kam. Oder etwa doch? Der Kommissar schimpfte mit sich selbst und seiner Fantasie. Er überlegte, was ihm der alte von Sybar gesagt hatte. Sein Gast hatte vom ›Bauchgefühl‹ gesprochen. Und sein eigener Bauch sagte ihm jetzt, da stimmte etwas nicht.
In der nächsten Nachrichtenausgabe wurde der Sender kaum konkreter. Böhnke hatte sich mit der Morgentoilette und dem Aufräumen beeilt, um sie nicht zu verpassen. Ein schwerer, massiver Gegenstand sei von der Autobahnbrücke auf von Sybars Sportwagen geworfen worden, meldete der Sprecher mit Trauer in der Stimme. Die Polizei habe die Ermittlungen aufgenommen. Von dem oder den unbekannten Tätern fehle noch jede Spur. Man könne noch nicht sagen, aus welchem Material das Wurfobjekt bestanden habe. Die Nachricht endete mit dem Hinweis, nach neun Uhr gebe es einen ausführlichen Korrespondentenbericht über das tragische Geschehen.
Dieser Bericht enthielt größtenteils Informationen über den nächtlichen Bergungseinsatz und war mit Originaltönen von Feuerwehrleuten unterlegt. Demnach war von Sybar mit angemessener Geschwindigkeit über die einspurige Autobahn gefahren. Plötzlich hätten Bauarbeiter einen lauten Knall gehört und dann gesehen, wie der Porsche unkontrolliert zunächst gegen die Mittelleitplanke geprallt und von dort aus gegen die rechte Planke geschleudert worden war. Danach habe sich der Wagen um die eigene Achse gedreht und sei entgegen der Fahrtrichtung an der Mittelplanke zum Stillstand gekommen. Die Bauarbeiter seien zur Unfallstelle gerannt, hätten aber sofort erkannt, dass für den Menschen am Lenkrad jede Hilfe zu spät kam.
Geistesgegenwärtig hatte der Bauleiter die Fahrbahn gesperrt, sodass keine weiteren Autos in den Baustellenbereich einfahren konnten. Die alarmierte Feuerwehr war im Prinzip ebenso überflüssig wie der Notarzt gewesen.
»Der Anblick war grauenhaft«, berichtete ein Feuerwehrmann. »Man konnte nichts mehr von
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