Prinzessin oder Erbse
erstmal mit zu Herrn Krause.«
»Darf ich’s mir ausdrucken?« Ich zucke mit den Schultern, obwohl mir ihr Interesse natürlich schmeichelt.
»Klar. Wenn noch genug Tinte im Drucker ist.« Im Hinausgehen nehme ich meine Jacke von der Garderobe.
»Vielleicht wird das der Durchbruch. Qualität wird sich durchsetzen!«, ruft sie mir hinterher, aber da werfe ich die Tür unserer Drei-Zimmer-Altbauwohnung schon mit Schwung hinter mir zu. Ich renne die drei Stockwerke im Eilschritt hinunter und hinaus auf die Straße, wo ich vor Kälte erschaudere. In den letzten Tagen war es schon recht mild für Ende Februar, doch über Nacht scheint noch einmal der Winter über uns hereingebrochen zu sein. Schneeflocken fallen vom Himmel, und ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke bis unters Kinn hinauf. Suchend sehe ich die Marktstraße hinunter, die mitten im Hamburger Karoviertel liegt und von gemütlichen Cafés, schrammeligen Kneipen und witzigen Klamottengeschäften gesäumt ist. Wo habe ich geparkt? Alle Autos sind mit einer dünnen Puderzuckerschicht bedeckt, was die Sache nicht einfacher macht. Bevor ich erneut in Panik verfallen kann, entdecke ich meinen uralten, rostroten Fiat Punto schräg gegenüber. »Viel Rost, wenig Rot«, wie Julia immer so schön sagt. Aber Hauptsache, er fährt.
Während ich mich durch den Hamburger Verkehr kämpfe, der durch den plötzlichen Wintereinbruch noch zäher fließt als sonst, wandern meine Gedanken zurück zu dem Traum von heute Nacht. Der Deutsche Buchpreis. Ja, das wär’s! Aber eigentlich würde es mir
schon genügen, wenn sich wenigstens eine einigermaßen ansehnliche Leserschaft für meine Romane begeistern könnte. Mehr als für die ersten beiden, die zwar veröffentlicht, aber leider kaum verkauft wurden. Mit einem tiefen Seufzer sehe ich auf das dicke Manuskript auf dem Beifahrersitz. Die Geschichte einer Ehefrau und Mutter, deren krebskranke erste Liebe plötzlich auftaucht und ihre heile Welt ins Wanken bringt. Über ein Jahr lang habe ich in jeder freien Minute daran geschrieben, neben meinem öden und unterbezahlten Job im Call-Center. Ich versuche, möglichst nicht darüber nachzudenken, warum ich mit Anfang dreißig noch immer von einem Aushilfsjob leben muss. Das hatte ich mir nach Abschluss meines Studiums der Germanistik zugegebenermaßen etwas anders vorgestellt. Aber eigentlich ist es schon so etwas wie ein Ritterschlag, wenn man als Autor überhaupt einen Verleger findet und sogar ein paar Euro verdient. Wenn auch in meinem Fall nicht genug, um davon leben zu können. Mein Agent hat mir ja schon mehrere Male durch die Blume gesagt, dass sich »fröhlichere Bücher« besser verkaufen würden als die schwermütigen, melancholischen Geschichten, die ich schreibe. Wieder fällt mein Blick auf das Deckblatt mit dem Titel »Geborgte Stunden«. Auch nicht gerade leichte Kost. Und wieder kein Happy End. Aber das Leben ist schließlich auch nicht immer leicht. Außerdem ist mir die Idee zu dieser Geschichte, genau wie bei meinen vorigen Romanen, einfach irgendwann zugeflogen. Wie genau das passiert, ist mir immer noch nicht ganz klar, aber so funktioniert es nun einmal. Und es sind immer die schwierigen, traurigen Aspekte des Lebens, über die ich schreibe. Das muss doch schließlich
auch irgendwer tun, oder nicht? Und vielleicht hat Julia Recht, denke ich hoffnungsvoll. Vielleicht wird das der Durchbruch.
»Ich habe leider keine guten Nachrichten für Sie, Frau May«, sagt mein Literaturagent, als ich ihm eine Viertelstunde später, abgehetzt und außer Atem, in seinem geräumigen Büro gegenübersitze. Entsetzt sehe ich ihn an. Norbert Krause hatte nämlich noch nie gute Nachrichten für mich, mal abgesehen von den zwei Anrufen vor mittlerweile einem und drei Jahren, in denen er mir berichten konnte, einen Verlag für mich gefunden zu haben. Danach kam nur noch eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Wie die Romane von einem Programm ins nächste geschoben wurden, das Werbebudget drastisch gekürzt, statt der versprochenen Doppelseite im Katalog gab es plötzlich nur noch eine halbe, und von den Verkaufszahlen möchte ich gar nicht anfangen. Aber nie hat Herr Krause es für nötig gehalten, schlechte Nachrichten anzukündigen.
»Ja …«, krächze ich, um Haltung bemüht. Er räuspert sich ausgiebig.
»Hrrm, hrrm.« Los doch, raus damit, möchte ich am liebsten schreien. Stattdessen umklammere ich mit den Händen das Manuskript auf meinem Schoß und bemühe
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