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Prinzessin oder Erbse

Prinzessin oder Erbse

Titel: Prinzessin oder Erbse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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zum Zerreißen gespannten Nerven es zulassen. »Ingweraufguss. Gegen Ihr Räuspern.«
    »Ach so, danke. Hhhrrrrrrm.«
    »Also, wollen Sie?«
    »Was?«
    »Mein Manuskript lesen«, wiederhole ich verzweifelt.
    »Wissen Sie …« Seine Stimme klingt mitleidig.
    »Ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen«, falle ich ihm ins Wort, und er seufzt.
    »Es kommt leider gar nicht darauf an, ob es mir gefällt. «
    »Wie meinen Sie das?«, stelle ich mich dumm, obwohl ich ganz genau weiß, was er meint. Noch bevor er es
ausspricht, weiß ich, dass meine Autorenkarriere beendet ist.
    »Ich werde keinen neuen Verlag für Sie finden können«, sagt er bedauernd, »nicht mit diesen Verkaufszahlen. Selbst wenn Ihr Manuskript das Zeug zum nächsten Twilight-Roman hätte.«
    »Was es Ihrer Meinung nach nicht hat«, erwidere ich steif und zutiefst beleidigt.
    »Frau May …« Mein Gegenüber hört gar nicht mehr damit auf, den Kopf zu schütteln.
    »Ja, schon gut«, lenke ich ein und suche verzweifelt nach einem Ausweg. »Wie wäre es, wenn man es unter Pseudonym veröffentlicht? Oder es zumindest so beim Verlag anbietet?«
    »Frau May«, werde ich rüde unterbrochen, »sind Sie vielleicht schon mal auf den Gedanken gekommen, dass Verkaufszahlen irgendetwas aussagen könnten? Ganz offensichtlich gibt es für Ihre Romane keine Leserschaft. «
     
    Eine halbe Stunde später öffne ich die Tür zu unserer Wohnung und blicke mich einen Moment verwirrt um. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich hierhergekommen bin.
    »Julia«, rufe ich leise, aber sie antwortet nicht. Ein stechender Schmerz fährt durch meine rechte Schulter, und ich bemerke, dass ich mein Manuskript noch immer mit aller Kraft an mich presse. Habe ich es zum Autofahren überhaupt aus der Hand gelegt? War ich wenigstens angeschnallt? Kurz verdrängt die Erkenntnis, dass ich es wohl nur durch ein Wunder unfallfrei zurück nach Hause geschafft habe, die Erinnerung an den unerfreulichen
Besuch bei meinem Agenten. Oder, um es korrekt zu sagen, meinem Ex-Agenten. Langsam stolpere ich in mein Zimmer und versuche, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich ab heute eine andere bin. Stefanie May, Nicht-mehr-Romanautorin. Was bleibt von mir übrig, ohne meinen Traum? Ohne meine Geschichten, meine imaginären Freunde? Eine Frau Anfang dreißig, mit feuerroten Locken, hellgrünen Augen, im Gesicht eine Million Sommersprossen. Eine schlanke Figur, wenn man von dem Brauereipferdearsch einmal absieht. Mein Hintern hat mich nie sonderlich gestört, schließlich saß ich sowieso meistens darauf. Wenn man tage- und nächtelang vor dem Computer sitzt, dann braucht man Sitzfleisch. Aber das ist nun vorbei. Gedankenverloren lasse ich meinen Blick umherschweifen. Seit zehn Jahren wohnen Julia und ich schon hier, und seit wir eingezogen sind, hat sich in meinem Zimmer nicht viel verändert, außer dass ich alle drei Jahre die freie Wand der Tür gegenüber in einer anderen Farbe gestrichen habe. Im Moment ist sie knallrot. An der linken Wand lehnt ein aus alten Obstkisten gezimmertes Regal, das mit Büchern und CDs vollgestopft ist, neben einer kleinen, roten Couch, ausgebleicht und verschlissen, aber urgemütlich, daneben das Bett, das nur aus einem Lattenrost und der darauf liegenden Matratze besteht. Rechts gegenüber und direkt unter dem großen Fenster steht mein Heiligtum – der Schreibtisch. Davor der sündhaft teure rückenfreundliche Sessel, darauf mein geliebter Computer mit der ergonomischen Tastatur, der Drucker, mit dem ich gestern Nacht »Geborgte Stunden« ausgedruckt habe. Meinen dritten und letzten Roman. Gedankenverloren
starre ich auf den Ort meines Schaffens. Wie viele Stunden meines Lebens habe ich dort verbracht? Glückliche Stunden. Nutzlose Stunden. Die vierhundertsiebenundzwanzig Blatt Papier in meinen Händen fühlen sich plötzlich schwer an, als hätte ich die Buchstaben in Steinplatten gemeißelt. Ich sehe darauf herab und drehe mich kurz entschlossen auf dem Absatz um.
     
    »Fanny, was ist passiert?« Vor meinen Augen tanzen tausend Lichter, und als ich in die Richtung blicke, aus der ich Julias Stimme höre, sehe ich sie durch einen Schleier dichten, schwarzen Qualms. »Geht es dir gut?« Sie rennt an mir vorbei und reißt das Küchenfenster auf. Der Rauch sucht sich seinen Weg nach draußen, die Sicht wird klarer.
    »Au!« Überrascht sehe ich auf meine Hand hinunter und lasse das brennende Stück Papier darin in den großen Spaghettitopf fallen, in dem ein

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