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Prinzessin oder Erbse

Prinzessin oder Erbse

Titel: Prinzessin oder Erbse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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mich, das flaue Gefühl in der Magengegend zu ignorieren. »Nun, die Abrechnungen sind gekommen, und, ähm, also …«
    »Und?« Ich wage nicht einmal zu atmen. »Sagen Sie es einfach«, fordere ich ihn auf und versuche, meiner Stimme einen gefassten Tonfall zu verleihen. Es kann nicht schlimmer werden als beim ersten Gespräch dieser
Art vor eineinhalb Jahren. Als ich noch daran glaubte, mit meinem Weltkriegsdrama »Im Wandel der Zeiten« möglicherweise einen Bestseller geschrieben zu haben. Die Zahl 2873 traf mich damals wie ein Schlag in die Magengrube. Mein Baby, mein Augapfel, mein erster Roman, in den ich so viel Arbeit und Herzblut gesteckt hatte, war bei den Lesern durchgefallen. Und zwar gründlich. Danach war ich eine Woche nicht aus meinem Bett aufgestanden. Schließlich habe ich mich doch aufgerafft. Und an meinen Schreibtisch geschleppt. Einen neuen Roman angefangen, eine moderne, weibliche Version der »Leiden des jungen Werther« über ein junges Fotomodell, das an seiner Hypersensibilität zerbricht. »Kalte Welt« erschien vor sechs Monaten. Und die Verkaufszahlen sind anscheinend so unterirdisch, dass Norbert Krause, seit zwanzig Jahren Literaturagent und mit allen Wassern gewaschen, jetzt nicht damit herausrücken will. »Nun sagen Sie schon.« Es klingt wie ein Jaulen. Er räuspert sich erneut und fährt sich mit der Hand über die schweißnasse Stirnglatze. »Machen Sie einfach den Mund auf und sagen Sie die Zahl«, spreche ich ihm Mut zu, obwohl das doch eigentlich sein Job wäre. »Ohne darüber nachzudenken, sprechen Sie es ein…«
    »1508«, unterbricht er mich und mein Herz setzt für einen Moment aus. Habe ich das richtig verstanden? 1508 Bücher? Das ist nichts. Weniger als nichts. Und was am schlimmsten ist: Es ist weniger, als ich in meinen allerschlimmsten Alpträumen erwartet habe.
    »Sehen Sie«, ich wundere mich selbst über die Gelassenheit in meiner Stimme, »das war doch gar nicht so schwer.«

    »Nein«, kommt es dumpf zurück. Dann schweigen wir beide. Ich fühle mich wie betäubt. Müsste ich nicht irgendwie reagieren? Mein Roman ist ein Flop. Und zwar ein noch größerer Flop als der erste, was wahrscheinlich niemand für möglich gehalten hätte, auch nicht der Verlag, der mir trotz miesester Verkaufszahlen noch eine Chance gegeben hat. Die ich, wie es aussieht, gründlich vermasselt habe. Was wäre eine angemessene Reaktion auf die Zahl 1508? Doch wohl mindestens ein Tränenausbruch, oder? Stattdessen: Nichts. Nur Leere. »Das ist leider noch nicht alles.«
    »Was denn noch?« Es geht noch schlimmer?
    »Wegen der niedrigen Absatzzahlen wird ›Im Wandel der Zeiten‹ verramscht.« Das Wort jagt mir einen eisigen Schauer über den Rücken. So sieht also das Ende meines Werkes aus, verschleudert für ein paar Euro auf dem Grabbeltisch. Ich nicke langsam. »Geht es Ihnen gut, Frau May?« Ich zwinge mich zu einem humorlosen Grinsen.
    »Gut wäre nicht das Wort meiner Wahl, aber ich werde nicht zusammenklappen, falls Sie das meinen.«
    »Ah, ja, gut.«
    »Allerdings könnte es durchaus sein, dass ich gleich auf Ihren teuren Teppich breche«, gebe ich zu bedenken, worauf er erschrocken aufspringt und mir hilfreich seinen braunen Plastikpapierkorb über die Schreibtischplatte hinweg anbietet.
    »Danke, es geht schon«, lehne ich höflich ab. Das fehlte gerade noch. Wir schweigen einander an, die Stille nur hin und wieder unterbrochen von Herrn Krauses Geräusper, das mich langsam wahnsinnig zu machen beginnt. »Das sind in der Tat keine besonders guten Neuigkeiten.
« Ich ringe mir so etwas wie einen kleinen Lacher ab, der aber gründlich misslingt. Mir gegenüber ohrenbetäubendes Schweigen. Dann wieder ein Räuspern.
    »Hrmmm, hrmm.« Ich wünschte, er würde damit aufhören. Schon beim Zuhören tun mir die Stimmbänder weh. Außerdem wünschte ich, er würde etwas sagen. Irgendetwas.
    »Nun, wir müssen nach vorne sehen, nicht wahr?«, versuche ich, mich optimistisch zu geben. »Ich habe gestern Nacht mein neues Manuskript fertiggestellt«, erkläre ich mit allem Selbstbewusstsein, das ich zusammenkratzen kann, »und ich habe es Ihnen mitgebracht.« Damit hebe ich den Papierstapel von meinem Schoß und präsentiere ihn mit einem verheißungsvollen Nicken.
    »Soso.« Nicht die Reaktion, die ich mir erhofft hatte.
    »Wollen Sie es lesen?«, frage ich nach einer Pause.
    »Hrrrmm, hrrmm.«
    »Sie sollten es mal mit Ingweraufguss probieren«, sage ich so freundlich, wie meine bis

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